Durch den Rückzug von AKK werden die Karten bei den Christdemokraten komplett neu gemischt. Dabei richtet sich der Blick nach NRW. Ein Kommentar.
Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Reißleine gezogen. Sie verzichtet auf Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz und beendet damit für sich und ihre Partei eine lange Leidensstrecke. Spätestens seit dem Thüringen-Debakel, als ihr der dortige CDU-Landesverband die Gefolgschaft verweigerte und, noch schlimmer, deutlich machte, dass sie als Führungsperson nicht ernst genommen wird, blieb ihr keine Alternative mehr. Der AKK-Rückzug ist konsequent und mischt die Karten bei den Christdemokraten komplett neu.
Derzeit spricht viel dafür, dass die Zukunft der Bundes-CDU in Nordrhein-Westfalen liegt. Mit dem Rheinländer Armin Laschet, dem Sauerländer Friedrich Merz, dem Münsterländer Jens Spahn und vielleicht auch dem Ostwestfalen Ralph Brinkhaus in der Außenseiterrolle werden sich mutmaßlich gleich vier NRW-Spitzenpolitiker in Stellung bringen.
Armin Laschet ist ein Instinktpolitiker
Ministerpräsident Armin Laschet dürfte die aktuelle Entwicklung nicht gelegen kommen, eher im Gegenteil. Wie in NRW auch setzte er in seiner politischen Karriere stets darauf, unterschätzt zu werden und dann zur Stelle zu sein, wenn man ihn brauchte. Vor drei Jahren hätten in NRW die wenigsten darauf gewettet, dass Laschet einmal Nachfolger von Hannelore Kraft wird, jetzt führt er seit mehr als zwei Jahren eine stabile CDU/FDP-Regierung. Laschet ist ein Instinktpolitiker mit einem Gespür für Themen und Situationen. Ob er aber auch jemand ist, der zum Beispiel in Regionalkonferenzen überzeugt, wo es neben dem persönlichen Eindruck auch um Zahlen, Daten, Fakten geht, müsste sich erst noch zeigen.
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Ralph Brinkhaus und Jens Spahn machen in ihren Funktionen als Vorsitzender der Unionsfraktion bzw. als Gesundheitsminister ebenfalls eine gute Figur. Beide haben sich zuletzt viel Respekt erarbeitet. Brinkhaus ist ein unaufgeregter, sachlicher Politik-Manager, dem man, anders als zuletzt AKK, Krisenmanagement zutraut. Und Spahn hat durch zahlreiche Gesetzesinitiativen das Gesundheitsressort in Schwung gebracht und wichtige Zukunftsthemen wie etwa die Pflege oder die Organspende angepackt.
Das Dilemma liegt in der Sozialdemokratisierung
Bliebe noch Friedrich Merz, der seit seiner politischen Demission immer wieder als CDU-Heilsbringer genannt wird und die Sehnsucht konservativer Christdemokraten erfüllen soll. Inhaltlich wäre er die stärkste Kurskorrektur der Merkel-Ära.
Das Dilemma der vergangenen Jahre liegt für die CDU ja gerade in ihrer Sozialdemokratisierung, die für die Partei Fluch und Segen zugleich ist. Einerseits hat der Merkel-Kurs der Partei die Mehrheiten gesichert, weil er die breite Mitte der Gesellschaft bediente. Andererseits verloren viele konservative Wähler im Land, vor allem durch Merkels Flüchtlingspolitik, ihre politische Heimat, was letztlich auch zum Erstarken der AfD führte. In dem Zusammenhang ist es eine böse Ironie der Geschichte, dass AKK in letzter Konsequenz über die Thüringer AfD stürzte, mit deren Stimmen sich FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten wählen ließ.
Die CDU steht vor einer wichtigen Entscheidung
Mit der nächsten Personalentscheidung zur AKK-Nachfolge steht die CDU vor einer Richtungsentscheidung, die die gesamte deutsche Politik verändern kann. AKK und Laschet sind in der inhaltlichen und strategischen Nachfolge Merkels zu sehen, während in Abstufungen Brinkhaus, Spahn und vor allem Merz für eine deutlich konservativere Politik stehen. Letzterer würde eine schwarz-grüne Machtoption schmälern, er wäre aber am ehesten in der Lage, durch klarere Positionierung Wähler vom rechten Rand zurückzugewinnen. Eine deutlichere Unterscheidbarkeit zwischen den Parteien, insbesondere zwischen CDU/CSU, SPD und Grünen, könnte der deutschen Politik gut tun, denn klarere Profile würden die politische Mitte stärken und dadurch eine weitere Zersplitterung des Parteiensystems stoppen. Dies sollte auch Armin Laschet berücksichtigen, wenn er seine (durchaus vorhandenen) Chancen auf eine Kanzlerkandidatur wahren will.