Die AfD hat die Demokratie herausgefordert – und die hat darauf gut reagiert. Warum so schnell niemand mehr den Kemmerich macht.

Wann kann man eigentlich von einem „Dammbruch“ sprechen? Ein Dammbruch liegt vor, wenn Wasser und Schlamm einen Damm beschädigen oder zerstören. Meist fängt es mit einer kleinen, undichten Stelle an, die sich nach und nach vergrößert. Irgendwann kommt es zu einer Kettenreaktion, bis alles überflutet ist. Überträgt man dies als Metapher auf den politischen Zustand Deutschlands im Lichte der Thüringen-Krise, so lässt sich sagen: Vor einem Dammbruch zu warnen, war nach der vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten mit AfD-Stimmen sachlich richtig und als republikweiter Weckruf auch geboten. Das Wasser stand uns bis zum Hals. Erst dieser Weckruf hat große Teile der Gesellschaft, insbesondere die bürgerliche Mitte, mobilisiert.

Die AfD hat nicht von den Vorgängen in Thüringen profitiert

Das Ergebnis ist ermutigend: Der Damm wurde, soweit sich das heute beurteilen lässt, erfolgreich abgedichtet, ja sogar verstärkt und erhöht. Weder die AfD noch jene, die offen oder verdeckt mit ihr gemeinsame Sache machen wollten, haben von den Vorgängen in Thüringen profitiert. Im Gegenteil. Das zeigen erste bundesweite Umfragen. Weite Teile des Bürgertums sehen die AfD nicht in ihrer Mitte, nicht einmal am Rande, sondern deutlich außerhalb.

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In der nächsten Zeit wird es kein Politiker einer bürgerlichen Partei mehr wagen, salopp gesagt, den Kemmerich zu machen, weil er befürchten muss, eine riesige Empörungswelle nicht zuletzt in den eigenen Reihen zu provozieren. Im Deutschland zu Beginn der 20er Jahre gibt es ein funktionierendes Bündnis der anständigen und wehrhaften Demokraten gegen die Höckes dieser Welt, und dieses Bündnis verfügt heute über eine stabile Mehrheit. Die AfD ist nach Thüringen weniger salonfähig als je zuvor. Der Damm ist dicht, und er hält.

Söder und Laschet reagierten kompromisslos

Dank dafür gebührt all jenen, die sich in diesen Tagen glasklar öffentlich positioniert haben. Genannt seien etwa CSU-Chef Söder und NRW-Ministerpräsident Laschet. Während CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer eklatante Führungsschwächen offenbarte, gaben sich Söder und Laschet sofort kompromisslos. Vor allem Laschet hat seine Ausgangsposition im Rennen um die Kanzlerkandidatur dadurch noch einmal verbessert. Hinter ihm kann sich die konfessionell gebundene, liberale Mitte in der Union, die im internen Machtkampf den Ausschlag geben dürfte, gut versammeln.

Und die Kanzlerin? Sie sprach von einem unverzeihlichen Fehler, der „rückgängig“ gemacht werden müsse. Das bringt ihr nun von interessierter Seite Kritik ein. Schließlich habe es sich bei der Ministerpräsidenten-Wahl um einen demokratischen Vorgang nach den Buchstaben des Gesetzes gehandelt. Als ob das jemand bestreiten würde! Natürlich war das alles legal. Trotzdem war es ein politisch-moralisches Desaster. „Rückgängig“ machen können dies am Ende nur wieder die frei gewählten Abgeordneten im Landtag, und genau an diese war und ist der Appell Merkels gerichtet. Was, bitte, ist daran nicht legitim?

Die Linkspartei ist längst in der Bundesrepublik angekommen

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Unter dem Gesichtspunkt der Legitimität wäre eher der ein oder andere unsägliche Vergleich zu diskutieren. Also: Die Linkspartei um Ramelow ist längst in der Bundesrepublik und ihrer freiheitlich-demokratischen Grundordnung angekommen, während die Höcke-AfD letztere abschaffen will. Beide stehen keinesfalls auf einer „Radikalitäts-Stufe“. Trotzdem ist die AfD nicht die NSDAP, und Höcke ist kein Mini-Hitler, wie die Linken suggerieren. Das würde Höcke viel zu groß und Hitler viel zu klein machen. Abrüsten ist angesagt. Denn der Damm ..., er hält.