Essen. Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel wird Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Das muss er sich nicht vorwerfen lassen. Die Bank dagegen schon.

Darf der das? Aber selbstverständlich darf Sigmar Gabriel Aufsichtsrat der Deutschen Bank werden. Deren Management muss sich nur fragen lassen, ob der frühere SPD-Chef auch der Richtige für diesen Posten ist.

Gabriels Kritik an der Deutschen Bank

Der Niedersachse war Umweltminister, Wirtschaftsminister und Außenminister, am Ende aber vor allem tief enttäuscht von seiner eigenen Partei. Sein Bundestagsmandat hat Gabriel inzwischen aufgegeben, das macht ihn frei für die nächste Karriere außerhalb der Berliner Politglocke. Er ist auch unverdächtig, dieses Angebot durch früheres politisches Handeln ergattert zu haben. Gabriel war auch als Wirtschaftsminister nie ein Banken-Souffleur, ganz im Gegenteil: „Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll, dass die Bank, die das Spekulantentum zum Geschäftsmodell gemacht hat, sich jetzt zum Opfer erklärt“, sagte Gabriel als Bundeswirtschaftsminister im Jahr 2016.

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Wie zu lesen ist, genießt Gabriel das Vertrauen der Scheichs aus Katar, die ihn aus seiner Zeit im VW-Aufsichtsrat kennen. Dass Großaktionäre gerne Vertrauenspersonen als Kontrolleure im Aufsichtsrat sehen, ist ebenfalls weder verwerflich noch gegen den Geist des Kontrollgremiums. Nur ist es keine Trivialität, das Wirken eines Bankenvorstands zu kontrollieren. Die deutsche Konzernlandschaft kennt keine komplizierteren Bilanzstrukturen als die börsennotierter Geldhäuser. Gabriel wird sich gut beraten lassen, aber für eine qualifizierte, verantwortliche und damit effektive Aufsicht muss er sich selbst möglichst rasch möglichst breite Kompetenzen aneignen. Das müssten freilich viele amtierende Kontrolleure börsennotierter Konzerne auch – auf Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberseite.

Für Botschafter ist das der falsche Job

Stefan Schulte, Ressortleiter WAZ Wirtschaft.
Stefan Schulte, Ressortleiter WAZ Wirtschaft. © FUNKE Foto Services | Dana Schmies

Dass der schwer angeschlagene Aufsichtsratschef Paul Achleitner als Hauptqualifikationen von Gabriel für das Aufsehermandat seine politische Erfahrung, sprich seine guten Kontakte als früherer Außenminister und seine transatlantische Vernetzung nennt, lässt allerdings eher auf eine Botschafter-Rolle schließen, die ihm zugedacht werden soll. Über diplomatisches Geschick und gute Verbindungen verfügt Gabriel ganz sicher. Doch die Kernkompetenz von Aufsichtsräten sollte das kritische und kundige Hinterfragen der Vorstandsarbeit sein. Wogen in Übersee zu glätten oder neue Geschäfte anzubauen, gehört auf die operative Ebene. Politischer Chefunterhändler der Deutschen Bank wäre deshalb der bessere Posten für Gabriel gewesen.

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In jeder Funktion ist Gabriel bei der Deutschen Bank aber besser aufgehoben als beim Automobilverband VDA, dessen Präsidentschaft er unlängst abgelehnt hat. Den Cheflobbyisten der Autoindustrie zu geben, hätte dem früheren Ministerpräsidenten Niedersachsens und VW-Aufsichtsrat deutlich schlechter zu Gesicht gestanden.