Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei steht auf der Kippe. Europa hat die Befriedung der eigenen Bevölkerung mit dem Leid der Geflüchteten erkauft.
Probleme verschwinden nicht einfach, indem man nicht mehr über sie spricht. Über Jahre schien es, als hielte der moralisch fragwürdige Flüchtlings-Deal mit der Türkei. Jetzt nimmt die Zahl derjenigen wieder deutlich zu, die auf den griechischen Inseln anlanden. Der ausgehandelte Mechanismus hat nicht gegriffen. 20.000 syrischen Geflüchteten, die aus der Türkei in die EU aufgenommen wurden, stehen 2400 gegenüber, die wieder in die Türkei zurückgebracht wurden, weil ihr Asyl-Ansinnen als nicht berechtigt angesehen wurde.
Zudem hat die Politik die Befriedung gesellschaftlichen Unfriedens mit dem Leid von Geflüchteten erkauft. In Libyen werden Geflüchtete aus Subsahara-Afrika in Foltergefängnissen gequält und Opfer von Menschenhandel. Die Aussetzung der europäischen Seenot-Rettungsmission kostet Menschenleben. Mitten in Europa müssen Geflüchtete unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. In der bosnischen Kleinstadt Bihac vegetieren Geflüchtete auf einer früheren Mülldeponie. Auf den griechischen Inseln leben Zehntausende unter fürchterlichen Umständen in völlig überfüllten Flüchtlingscamps. All das war bereits in den vergangenen Jahren Realität.
Jetzt spitzt sich die Situation zu. In der Türkei wächst der Druck auf die Regierung, die rund 3,6 Millionen syrischen Geflüchteten dort sind mittlerweile nicht mehr gelitten. Es gibt bereits Berichte von Menschenrechtsorganisationen, laut denen Syrer zurück über die Grenze geschoben werden. Gleichzeitig droht in der nordsyrischen Provinz Idlib eine humanitäre Katastrophe, das syrische Regime will die letzte Rebellen-Hochburg zurückerobern. Es gibt seitens der Türkei Überlegungen, Geflüchtete in eigentlich kurdischen Gebieten in Nordsyrien anzusiedeln.
Deutschland und der Rest Europas dürfen nicht wegschauen. Griechenland, aber auch Italien oder Malta, also die Länder der EU, in denen Geflüchtete anlanden, brauchen mehr Unterstützung. Das Flüchtlings-Thema muss insgesamt wieder auf die europäische Agenda. Nicht, dass die EU wieder von dem Absehbaren überrascht wird, wie es 2015 geschehen ist.