Wenn die Bundesregierung den Klimaschutz jetzt energischer angeht, muss sie dafür sorgen, dass er die Ärmsten nicht noch mehr belastet.
Der einstige Klimaweltmeister schwächelt. Deutschland wird seine für 2020 gesetzten Klimaziele deutlich verfehlen, das ist schon seit längerem bekannt. Der Ausbau der Erneuerbaren lahmt, die Netzinfrastruktur kommt nicht in Fahrt. Auf europäischer Ebene hält Berlin die schützende Hand über die deutsche Autoindustrie. Nach der Europawahl aber ist klar: So wie bisher kann die Große Koalition nicht weiterwurschteln.
Die Wähler, vor allem die jungen, wollen, dass der Klimaschutz mit größerer Ernsthaftigkeit angegangen wird. Die Eile, mit der Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Entwurf für ein Klimaschutzgesetz in die Ressorts des Klimakabinetts hat schicken lassen, spricht Bände. Zumal sie gegen jede Gepflogenheit das Kanzleramt umgangen hat. Schulze signalisiert: Ich habe verstanden.
Wenn sich jetzt alle Beteiligten mit Plänen überschlagen, damit wenigstens nicht die Klimaziele für 2030 verfehlt werden, sollten sie aber erstens realistisch bleiben: Vorhaben wie die Verpressung von Kohlendioxid, die jetzt aus der Mottenkiste geholt werden, dürften nie die gesellschaftliche Akzeptanz bekommen, die für ihre Umsetzung nötig ist.
Zweitens muss Klimaschutz sozial ausgewogen sein. Klimaschutz kostet, daran geht kein Weg vorbei. Bislang werden aber die finanziell Schwächeren überproportional belastet. Die EEG-Umlage hat zu steigenden Stromkosten geführt, die energetische Gebäudesanierung zu steigenden Mieten. Wenn nun möglicherweise die Kohlenstoffbesteuerung kommt, muss es einen Ausgleich für die Ärmeren geben.
Zudem: Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich schon heute, national wie international. Es müssen deutlich stärkere Anstrengungen unternommen werden, um die Menschen vor diesen Auswirkungen zu schützen. Es sind international diejenigen, die wirtschaftlich am schlechtesten dastehen, die am verletzlichsten sind. Ihnen zu helfen, heißt auch zu verhindern, dass in den nächsten Jahrzehnten Abermillionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden.