Siemens-Chef Kaeser spaltet die traditionsreiche Kraftwerkssparte ab. Die Beschäftigten nehmen ihre Sicherheiten mit – fürs erste.

Den digitalen Revoluzzer nimmt Joe Kaeser nicht jeder ab. Doch sein Kurs als Siemens-Chef führt den Konzern seit 2013 geradewegs in die Industrie 4.0. Kaeser will als Kerngeschäft allein digitale Lösungen für die moderne Stadt und ihre Infrastruktur sowie die vernetzte Industrie betreiben. Selbst klassische Industrieprodukte zu fertigen, sieht der Siemens-Chef nicht mehr als Aufgabe des Technologiekonzerns an. Weil er das bereits an der Medizintechnik, der Zugsparte und den Windrädern vorexerziert hat, darf es eigentlich niemanden mehr verwundern, dass er nun auch die analoge Kraftwerkstochter abstößt.

Für die Beschäftigten der Siemens-Werke, auch in Mülheim und Duisburg, bedeutet das eine Zäsur, aber nicht zwangsläufig, dass ihre Stellen unsicherer werden. Für jede ungeliebte Tochter stellt sich die Frage, ob die Familie sich nur noch aus Pflichtgefühl, also halbherzig um sie kümmert. Und ob es nicht besser wäre, sich zu lösen und auf eigenen Beinen zu stehen.

Die Turbinenbauer konnten sich bei Siemens schon lange nicht mehr wirklich heimisch und geborgen fühlen. Zu oft bekamen sie aus München zu hören, wie schwer sie es haben würden in der neuen, grünen Energiewelt. Die verabschiedet sich in diesem Jahrhundert von fossilen Kraftwerken. Weil aber Gaskraftwerke klimaschonender sind als Kohlekraftwerke, haben sie zumindest die Chance, als Brückentechnologie ein Comeback auf Zeit zu feiern.

Die Siemensianer im Ruhrgebiet steuern so oder so in eine ungewisse Zukunft, daran wird sich auch mit dem Börsengang zunächst nichts ändern. Allein hat die Kraftwerkssparte aber die Chance, schneller und entschiedener auf neue Entwicklungen zu reagieren. Dass mit der Windkraftsparte auch die grüne Energie ins neue Unternehmen wechselt, stellt es breiter auf, was für die Zukunft noch von Vorteil sein kann.

Was den Kraftwerksbauern fehlen wird, ist die gute Siemens-Tradition, auch in Krisen sozial und fair mit seinen Beschäftigten umzugehen. Zwar hat die IG Metall sich für ihre Zustimmung zur Ausgliederung ausbedungen, dass Tarifbindung und Beschäftigungssicherung mitgenommen werden. Aber dieser Schutz ist in einer neuen Eigentümerstruktur endlich und muss beizeiten erneuert werden.

Ob die designierte amerikanische Chefin Lisa Davis diese in den USA so gar nicht verbreitete Tradition fortzuführen bereit ist, wird sie zeigen müssen. Falls nicht, hätten wir in Deutschland damit ein Problem, Houston.