Die Wahl der neuen CDU-Vorsitzenden wird die CDU verändern, aber bei weitem nicht in dem Maß, wie es bei einem Merz-Erfolg der Fall gewesen wäre.
Klare Kante, klare Sprache, neuer Stil: Nachdem der Sauerländer Friedrich Merz Ende Oktober im Kampf um den CDU-Vorsitz seinen Hut in den Ring geworfen hatte, schien es so, als lechze die Partei nach grundlegender Veränderung. Diese Veränderung wird es nun auch geben, aber bei weitem nicht in dem Maß, wie es bei einem Merz-Erfolg der Fall gewesen wäre: Annegret Kramp-Karrenbauer setzte sich knapp durch, weil die Delegierten des Hamburger Parteitages am Ende doch auf Nummer sicher gehen wollten.
Kramp-Karrenbauer ist geschmeidiger, ist ausgewogener, sie polarisiert weniger und wird die Wählerinnen und Wähler in der Mitte eher ansprechen – dort, wo man bekanntlich Wahlen gewinnt. Dies spielt dann doch eine wichtige Rolle, wenn sich Abgeordnete und andere Mandatsträger für einen neuen Vorstand entscheiden müssen. Gleichwohl würde man Kramp-Karrenbauer nicht gerecht werden, wenn man ihren Erfolg allein auf die Egoismen einer Funktionärsebene reduzierte. Dafür war das Ergebnis letztlich auch zu knapp. Ihr Auftreten war rhetorisch überzeugend, kämpferisch, kompetent, klug in den Aussagen, bereits in den Regionalkonferenzen hatte sie sehr viele Parteimitglieder erreicht, in Umfragen lag sie zumeist vorn.
Kramp-Karrenbauers Herausforderung wird es nun sein, die Partei zu einen. Denn 48 Prozent der Delegierten gaben ihr bei dieser Richtungsentscheidung zweier sehr unterschiedlicher Typen nicht die Stimme – das ist eine echte Hausnummer. Andererseits siegte die neue Vorsitzende nach einem fairen Wettbewerb, es gab keine Schmutzkampagne, so dass die Wunden der Verlierer schnell verheilen dürften. Bürgerlich heißt in solchen Situationen auch, in Harmonie geeint zu sein. Auch deshalb spricht sehr viel dafür, dass die nächste Bundeskanzlerin Annegret Kramp-Karrenbauer heißen wird.
Wobei wir bei Angela Merkel wären. Sie wurde vor und nach ihrer Abschiedsrede mit stehenden Ovationen unterstützt und ist die zweite große Gewinnerin des Tages. Sie hat strategisch (wieder einmal) alles richtig gemacht. Schon früh setzte sie auf ihre Vertraute als Wunsch-Nachfolgerin, lockte die saarländische Ministerpräsidentin nach Berlin, positionierte sie als CDU-Generalsekretärin an maßgeblicher Stelle – und wird die eigene letzte Amtszeit als Kanzlerin somit ohne nennenswerte Querschüsse aus ihrer Partei zu Ende bringen. Mit einem Vorsitzenden Friedrich Merz wäre diese Legislatur deutlich ungemütlicher für Angela Merkel gewesen, vielleicht sogar mit einem vorzeitigen Ende. Aber das ist abgehakt. Merz hat knapp verloren, Jens Spahn hat sich respektvoll geschlagen. Seine Zeit in der Partei wird noch kommen.
Der Kampf um den CDU-Vorsitz war für die Demokratie ein Gewinn, vielleicht sogar ein Erlebnis, von denen es nicht mehr allzu viele gibt. Emotionen, Wettbewerb, drei ernst zu nehmende Kandidaten, drei Persönlichkeiten: Die CDU hat die Fenster aufgemacht und kräftig durchgelüftet. Auch sie hat gewonnen. Verloren haben die SPD und der gesellschaftspolitische Diskurs. Denn nach der Wahl Kramp-Karrenbauers ist zu befürchten, dass sich die deutsche Politik fast ausnahmslos weiterhin in der Mitte tummeln und in Koalitionen den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen wird. Wenig Unterscheidung aber bedeutet wenig Profilierung. Und das ist Gift für die SPD, die händeringend nach eigenen Themen und ihrer Zukunft sucht. Der Einheitsbrei der vergangenen Jahre darf sich jedoch nicht fortsetzen, wenn die Profilierung allein an den Rändern eingedämmt werden soll.