Jeder sechste Mensch in NRW ist armutsgefährdet. Armut hat sich verfestigt. Diese Entwicklung kann die Demokratie gefährden.
Trotz Rekordbeschäftigung und ordentlicher Konjunktur hat die Zahl der armutsgefährdeten Menschen in NRW einen neuen Höchststand erreicht. Jeder Sechste ist von „relativer Einkommensarmut“ betroffen, wie es im Behördenjargon heißt. Das „relativ“ ist streichbar.
Natürlich muss niemand hungern. Wer aber weniger als 968 Euro im Monat zur Verfügung hat, muss sich strecken, um über die Runden zu kommen. Die Strompreise haben sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt, die Mieten steigen exorbitant. Gesellschaftliche Teilhabe ist kaum möglich.
Armut grenzt aus. Ausgrenzung produziert Politikverdrossenheit und Wut, zumal in einer Gesellschaft, in der genügend Wohlstand vorhanden, aber immer ungerechter verteilt ist.
In den vergangenen Wochen hat Deutschland viel über strukturellen Rassismus debattiert, was richtig und wichtig ist.
Mindestens ebenso wichtig ist es, über die strukturelle Armut zu sprechen, von der Alteingesessene und Zugewanderte betroffen sind, und die sich als die düstere Seite der Agenda-Politik verfestigt hat.
Es tickt eine Zeitbombe, die explodieren wird, wenn diejenigen in Rente gehen werden, die sich jetzt im Niedriglohnsektor für Dumpinglöhne im Erst- oder Zweitjob krummmachen.
Je mehr Menschen armutsgefährdet sind, desto größer werden die Abstiegsängste derjenigen, die sich dem Mittelstand zurechnen.
Angst macht empfänglich für plumpe Parolen. Das Problem der strukturellen Arbeit nicht entschieden anzugehen, bedeutet, Populisten das Feld zu überlassen.
Am Ende wird die Debatte über den Umgang mit Armut auch eine über die Zukunft der Demokratie. Spätestens dann, wenn die Konjunktur wieder einbricht.