Historische Bedeutung bemisst sich nicht nach Jahren, sondern nach dem Geschehenen. Das weiß auch Alexander Gauland. Er provoziert gezielt.
Ein Vogelschiss ist etwas Ärgerliches – lässt sich aber wegwischen, reinigen und vergessen. Zwölf Jahre Diktatur mit Verfolgung und Ermordung politischer Gegner, der industriell betriebene Massenmord an Juden, ein vom Zaun gebrochener Weltkrieg mit 50 Millionen Toten lassen sich nicht wegwischen und vergessen. Historische Bedeutung bemisst sich auch nicht nach Jahren, sondern nach dem Geschehenen. Und da ist in jenen zwölf Jahren von 1933 bis 1945 viel mehr passiert, als es in „tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ hätte geschehen dürfen.
Das weiß auch ein Alexander Gauland. Er weiß aber auch, wie sich am rechten Rand fischen lässt. Flankierende Sätze von „historischer Verantwortung“ werden gestreut, um sich juristisch nicht angreifbar zu machen, und dann geht es zum Kern des Anliegens – ein Vogelschiss sei der ganze Nazikram, der heute nicht mehr Klotz am Bein der Nation sein dürfe. Die Reden der führenden AfD-Köpfe sind nicht nur gezielte Provokationen und Ausfälle gegen den demokratischen Grundkonsens in diesem Land. Sie dürfen getrost als das eigentliche Programm der Partei gesehen werden.
Dem ist nicht allein mit rituell wiederholter Empörung beizukommen. Dass die Flüchtlingspolitik chaotische Züge trägt, das Bamf überfordert ist und die Integration Hunderttausender nicht mit einem einfachen „Wir schaffen das“ erledigt ist, kann kaum jemand bestreiten. Der Aufgaben sind genug, aber die Regierung erweckt momentan nicht den Eindruck, als packe sie sie mit Eifer an. Es liegt an ihr und den Demokraten im Land, durch praktisches Handeln die Errungenschaften des Grundgesetzes zu verteidigen. Die beruhen auch auf den Erfahrungen jener zwölf Jahre, die Gauland so gern marginalisieren würde.