Die USA führen ihren längsten Krieg weiter. Trump lässt Vernunft walten, hat aber keinen Plan für eine diplomatische Lösung in Afghanistan.

Amerikas längster Krieg dauert noch länger. Nach George W. Bush und Barack Obama hat auch der dritte Präsident kein Konzept, wie der Militäreinsatz in Afghanistan erfolgreich und nachhaltig beendet werden kann.

Was Donald Trump seinem kriegsmüden Volk nach 16 Jahren Sisyphos-Arbeit als „dramatisch“ neuen Ansatz unterbreitet hat, ist ein Weiter-so-wie-zuletzt mit leichten Korrekturen, deren Wirkung völlig ungewiss ist. Die Wichtigste: Es gibt kein End-Datum mehr. Nach Trumps Logik könnten auch noch in zehn oder 20 Jahren US-Soldaten am Hindukusch stehen.

Das wäre keine Überraschung. Die Geschichte zeigt, dass niemand Afghanistan militärisch seinen Willen dauerhaft aufzwingen kann. Weil Amerika (zum Glück) nicht bereit ist, 500 000 Soldaten zu schicken und das Land zu einem Quasi-Protektorat zu machen, gibt es nur die Wahl zwischen verschieden schlechten Lösungen.

Trump hat sich nach langem Ringen mit dem eigenen Ego, das vor und während des Wahlkampf populistisch und weltfremd via Twitter den schnellen Abmarsch befehligte, für eine Option entschieden, die auf dem Papier betrachtet am wenigsten zusätzlichen Schaden verspricht. Ironie der Geschichte: Wäre der Demokrat Obama noch im Amt oder an seiner statt Hillary Clinton, dann sähe das Ergebnis in der Substanz nicht viel anders aus.

In einem ersten Schritt 4000 US-Soldaten zusätzlich zu den 8500 vorhandenen zu entsenden, wird Amerika nicht über Gebühr in Wallung bringen. Auch wenn Kritiker (allen voran sein Ex-Chef-Stratege Stephen Bannon) nun ätzen werden, dass Trump sein Versprechen auf weniger Interventionismus und weniger Weltpolizistentum gebrochen hat. Militärisch ist die Zahl, wie das Pentagon intern einräumt, nicht viel mehr als seit Monaten notwendige Kosmetik, um die Geländegewinne der quicklebendigen Taliban wenigstens halbwegs einzudämmen.

Unter Obama standen 2011 rund 140 000 ausländische Soldaten zwischen Faisabad und Kandahar. Auch das hat nicht gereicht, um ein Klima an Sicherheit zu produzieren, in dem sich das vielerorts noch immer steinzeitlich geprägte Land schrittweise einer afghanischen Moderne hätte nähern können. Wäre es anders, das größte Projekt des Westens, die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte in Armee und Polizei, hätte längst solidere Ergebnisse gezeitigt.

Trotzdem entspricht Trumps Entscheidung, die er seinen von ihm verehrten Generälen abgelauscht hat, dem Gebot der landläufigen Vernunft. Wer das in seiner gesellschaftlichen und politischen DNA auf Bestechung, Stammesfehden und Gewalt programmierte Land jetzt sich selbst überlässt, macht den Weg vollends frei für die Taliban, den Islamischen Staat, Terror-routinierte Warlords und den destruktiven Nachbar Pakistan, der Destabilisierung wie durch eine Nabelschnur nach Afghanistan transportiert. Von Russland und China, die auch ihre Karten im Spiel haben, ganz zu schweigen.

Der mühsam, teuer und unter enormem Blutzoll errungene status quo, der unbestreitbar Anfänge von zivilisiertem Leben mit Schulen, Jobs und Zukunftsperspektiven gerade für die junge Generation aufweist, würde in Windeseile atomisiert. Afghanistan würde - wieder - zur Startrampe für weltweit spürbaren Terror.

Das zu verhindern, hat mit militärischen Mitteln allein nie funktioniert und wird auch in Zukunft nicht gelingen. Es bedarf einer intelligenten Mischung, in der Diplomatie und wirtschaftliche Anreize geduldig mithelfen, um die sich per Definition gegen das Bündnis des Westens richtende Dynamik des Krieges zu unterbrechen.

Dass Präsident Trump darüber nur kursorisch gesprochen hat, kann nicht zuversichtlich stimmen. Die amerikanische Außenpolitik hat Afghanistan de facto vergessen, es gibt nicht mal einen Botschafter. Und das zu einem prekären Zeitpunkt. Die Regierung in Kabul, mit den Antipoden Ghani und Abdullah, ist völlig zerstritten. Stammesfürsten aus der Zeit der Intervention der Sowjets erheben wieder ihre hässlichen Häupter. Korruption schwächt die Institutionen, verhindert den Fortschritt und spielt Taliban und anderen in die Hände. Findet Donald Trump darauf keine Antwort, bleibt alles andere Makulatur.