Der Kirchentag sei diesmal sehr politisch gewesen, heißt es. Doch mehr als das war er für viele Bestätigung, Teil einer Wertegemeinschaft zu sein

Barack Obama spricht am Brandenburger Tor, die AfD bekommt eine Diskussionsrunde - und schon ist der Begriff in der Welt: Der Evangelische Kirchentag sei diesmal ein „politischer Kirchentag“ gewesen. Doch das macht den Kirchentag schon seit Jahrzehnten aus: dass Politiker Position beziehen, dass sie Bibelstellen auslegen und mit den Teilnehmern ins Gespräch kommen.

Vier Monate vor der Bundestagswahl hat der Wahlkampf allerdings mancher Veranstaltung seinen Stempel aufgedrückt. Angela Merkel profitierte von der Strahlkraft eines Barack Obama, sie gab sich locker und schlagfertig, während Sigmar Gabriel und Martin Schulz ohne charismatische Unterstützung vor deutlich weniger Zuschauern ihre Ideen von sozialer Gerechtigkeit und Abrüstung formulierten.

Eine Gesellschaft lebt davon, dass Menschen sich einbringen, und der Kirchentag hat wieder einmal eindrücklich gezeigt, wie viele Deutsche sich aus christlicher Überzeugung engagieren - für eine gerechtere Welt, für Flüchtlinge, für den Umweltschutz, für benachteiligte Kinder, für das Klima... Es sind Menschen, die sich einmischen, wenn die Würde des Einzelnen angetastet wird, Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Der Kirchentag dient ihnen jedes Mal als Selbstvergewisserung, dass sie Teil einer großen, konfessionsübergreifenden Wertegemeinschaft sind. Und vor dem Hintergrund eines erstarkenden Populismus und Nationalismus, der zu Lasten der Schwachen geht, gibt er eine Antwort auf die Frage, ob wir Kirche überhaupt noch brauchen. Sie lautet: Ja, mehr denn je.