Auch wenn es zum Stahlkochen Kohle braucht – der Gleichklang beim Abgesang auf beides ist falsch.

Die Ära von Kohle und Stahl im Ruhrgebiet geht zu Ende, die Montanindustrie stirbt einen langsamen Tod. Das sagt sich so vermeintlich leicht dahin, weil die Menschen hier seit 30 Jahren regelmäßig erleben, dass wieder eine Zeche, eine Kokerei oder ein Stahlwerk schließt. Längst dominieren Bürotürme das Revier, nicht mehr Schlote. Gemessen am Gewicht von Produktion und Dienstleistungen ist das industrielle Herz von NRW von der Emscher nach Südwestfalen gerutscht. In der Stahlindustrie die Zukunft von Thyssen-Krupp zu sehen, fällt deshalb nicht nur den Aktionären schwer.

Doch auch wenn es zum Stahlkochen Kohle braucht – der Gleichklang beim Abgesang auf beides ist falsch. Montan steht für die fördernde und verarbeitende Industrie. Ihre Union im Revier zerbricht, aber der Stahl kann eine Zukunft haben. Nächstes Jahr schließt die letzte Steinkohlezeche, weil es nicht mehr lohnt, immer tiefer zu graben, wenn anderswo auf der Welt die Kohle leichter und damit viel billiger gefördert werden kann. Die Braunkohle ist hierzulande noch rentabel, aber ein Auslaufmodell, weil ihre Verbrennung im Kraftwerk die umweltschädlichste Art der Stromerzeugung ist. Dagegen wird Stahl absehbar der Werkstoff Nummer eins für die Industrie bleiben, unverzichtbar für Autos und Maschinen. Auch Hochöfen und Walzbänder haben keine gute Klimabilanz, aber in Duisburg und Bochum eine deutlich bessere als in China. Wer für den Erhalt der Stahlindustrie im Revier kämpft, muss sich deshalb von niemandem als Ewiggestriger verunglimpfen lassen.

Zweifellos zählt der deutsche Stahl zu den Verlierern der Globalisierung, während die Autobauer, die ihn verarbeiten, vom Welthandel profitieren. Wenn etwas woanders auf der Welt günstiger und nicht viel schlechter hergestellt werden kann, wird der Standort „D“ zum Nachteil. Trotzdem macht Thyssen-Krupp mit seinem europäischen Stahlgeschäft noch immer operative Gewinne, wenn auch immer kleinere. Die im Vergleich mit Asien deutlich höheren Löhne fallen nicht zu sehr ins Gewicht, weil die Stahlwerke von immer weniger Menschen am Laufen gehalten werden. So ist die mit Abstand größte Gefahr politischer Natur: der mangelnde Schutz vor Dumpingstahl aus Fernost. Würde Europa ihn mit ähnlich hohen Zöllen wie die USA verteuern, hätte das nichts mit Trump’schem Protektionismus zu tun. Wenn chinesischer Stahl nach einem Transport um den halben Globus in Europa billiger verkauft wird als in China selbst, hat das mit fairem Wettbewerb nichts zu tun, sondern mit illegalem Preisdumping. Die heimische Industrie davor wirksam zu schützen, ist Europas Pflicht.

Weil der Stahl trotzdem nie mehr die Renditen bringen wird wie Aufzüge, U-Boote und Autoteile, aber mit hohen Pensionsverpflichtungen auf der Konzernbilanz lastet, plant Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger einen Befreiungsschlag. Er bevorzugt eine Fusion mit einem Konkurrenten. Klappt das nicht, droht ein hartes Sparprogramm, das ganze Werke gefährden würde. Das in Bochum etwa, oder das Grobblech-Werk im Duisburger Süden. Der Widerstand der Stahlkocher ist ihm so oder so sicher, vom letzten großen Gefecht ist hier und da schon die Rede.

Der Schwabe Hiesinger hat die emotionale Verwurzelung der Stahlkocher mit der Region und ihre daraus erwachsene Protestmacht lange unterschätzt. Nun kennt er sie, will sich aber trotzdem von der Keimzelle des Unternehmens abnabeln. Konzern und IG Metall haben bisher noch jede Krise ohne Entlassungen gemeistert. Das muss auch für die nächste das oberste Gebot sein.