Österreich, Italien: In Europa geht die Angst vor den Populisten um. Die Politik muss Bürger besser einbinden, kommentiert Miguel Sanches.

Die Märkte sind nervös. Nicht nur sie. Ganz Europa schaut nach Italien. Sagt das Volk am Sonntag „No“, scheitert mit der Verfassungsreform auch Regierungschef Matteo Renzi. Rücktritt, Neuwahl, politische Instabilität, finanzielle Turbulenzen. Nach dem Brexit-Votum wäre es die nächste Krise.

Es gibt weitere Alarmzeichen. Ein Rechtspopulist könnte an diesem Wochenende in Österreich Präsident werden. In Holland wie Frankreich, wo 2017 wie in Deutschland Wahlen anstehen, sind solche Leute längst keine Außenseiter mehr. In Europa könnte es für Kanzlerin Angela Merkel einsam werden.

In Italien geht es am Sonntag um das Aufbrechen alter Strukturen. Das Land wäre nicht zum ersten Mal ein Labor für politische Entwicklungen. Silvio Berlusconi war ein Vorläufer von Donald Trump. Es ist nicht einmal fünf Jahre her, dass mit Beppe Grillo ein Komiker bei einer Wahl die Traditionsparteien düpiert hat. Schon damals ging es gegen die Eliten.

Der europaweite Erfolg populistischer Gruppen ist ein Indikator dafür, dass die etablierten Parteien etwas grundlegend falsch gemacht haben. Es ist keine Revolte gegen die Moderne, sondern gegen bestimmte Auswüchse: Bevormundung und falsch verstandene Korrektheit. Unsere „Lasst-mich-mal-machen-Kanzlerin“ ist ein Paradebeispiel dafür. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise fiel sie durch Berührungsängste zur Realität auf. Mit den Schattenseiten der Migration – Missbrauch des Asylrechts, Probleme bei der Integration – hat sie sich erst offen auseinandergesetzt, als sie unübersehbar geworden waren: nach der Kölner Silvesternacht.

Populistische Bewegungen sind ein Katalysator von Unmut. Man kann sie schlagen. Am Beispiel von Renzis Radikalkur wird aber ein Nachteil sichtbar: Regieren ist das Bohren dicker Bretter, Populismus das Trommeln darauf. Renzi droht das Schicksal, das David Cameron in Großbritannien ereilte. François Hollande hat schon hingeworfen. Anders als Merkel tritt der Franzose nicht wieder an. Wenn sich für Merkel aus seinem Scheitern und aus Renzis Zitterpartie etwas lernen lässt, dann dies: mehr erklären, die Bürger einbinden.

Womöglich setzt der Ausweg aus der Sinnkrise in Europa einen klugen Mix für mehr Bürgerbeteiligung voraus. Wenn die Italiener „No“ sagen, Renzi scheitert, dann an einem Missverständnis: Er wollte die Institutionen modernisieren. Er hätte bei der Demokratie ansetzen sollen, bei Willensbildung und Bürgerbeteiligung. Das Volk ist kein Störfaktor.