Solange die Fußballfans keine Konsequenzen ziehen, werden Vereine und Spieler abwechselnd jede Schamgrenze überschreiten, wie jetzt wieder das Beispiel Julian Draxler zeigt. Ein Kommentar
Kommt einem bekannt vor: „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ Nur hätte wohl kaum jemand erwartet, dass Julian Draxler schon im Alter von 22 Jahren auf Dschungelcamp-Niveau sinken würde. Der Fußball-Nationalspieler ist gerade dabei, seinen ohnehin schon beschädigten Ruf restlos zu verspielen.
Dass langfristige Verträge im Fußball weder von Spielern noch von Vereinen als bindend betrachtet werden – geschenkt. Draxlers ultimative Aufforderung an den VfL Wolfsburg, ihn aus dem erst ein Jahr laufenden und bis 2020 datierten Vertrag zu entlassen, setzt jedoch in diesem Metier neue Maßstäbe an Dreistigkeit. Und das Schlimmste ist: Er dürfte damit durchkommen, auch wenn Wolfsburg jetzt – aus finanztaktischen Gründen – noch Härte demonstriert.
Die erste Reaktion auf Draxlers Verhalten mag Wut und Empörung sein. Oder eben – siehe oben – Häme. Die Inszenierung, die das staunende Fußballvolk hier gerade erlebt, ist jedoch eher ein Trauerspiel. Geschrieben nach einem Drehbuch, das der Volksweisheit Rechnung trägt: „Geld verdirbt den Charakter“. Und an dem Menschen mitwirken, die mehr auf den eigenen Profit aus sind als auf das Wohlbefinden ihrer Schützlinge, besser: Klienten.
Um Draxlers Entwicklung zu bewerten, ist es ein Rückblick hilfreich. Anfang 2013 hatte Schalke Kleinlaster durchs Revier fahren lassen, um die Vertragsverlängerung des neuen Schalker Hoffnungsträgers zu verkünden. „Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018“ war dort auf riesigen Werbebanden zu lesen. Und erstmals drängte sich die Frage nach den Beratern des Jungen auf, die zwei Jahre später den Deal mit Wolfsburg einfädelten.
Noch aufschlussreicher ist eine Erinnerung an 2011. Der damals 17-Jährige, dem mit dem Siegtor im Pokal-Viertelfinale gegen Nürnberg ein fulminanter Einstand in den Profifußball gelungen war, hatte zwischenzeitlich die Schule verlassen. Auf Anraten seines Trainers Felix Magath, der mit der Aussage für Irritation sorgte, Draxler brauche kein Abitur, weil er eine große Fußballkarriere vor sich habe.
Das Abitur vielleicht nicht. Gereicht hätten, wie wir heute wissen, eine gute Erziehung und Berater, die ihn im Fußball-Dschungel von Irrwegen abhalten.