Die Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, die Bundespräsidenten-Stichwahl wegen Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung zu wiederholen, ist zunächst, sachlich betrachtet, ein Sieg der Demokratie. Auch wenn er von der rechtsgerichteten FPÖ errungen worden ist, deren Anhänger und Sympathisanten Rechte beschneiden und die freiheitliche Grundordnung einschränken wollen. Emotionaler betrachtet, ist die Entscheidung zur Wahlwiederholung in Wien das zweite große politische Beben, das Europa innerhalb einer Woche erschüttert und, nach dem Ausstiegs-Referendum in Großbritannien, ein weiteres EU-Mitgliedsland tief spaltet: Gräben, die mit dem Amtsantritt von Alexander Van der Bellen hätten überwunden werden können, werden eher breiter und tiefer. Österreich droht jetzt bis in den Herbst eine lange, zähe Fortsetzung der politischen Auseinandersetzung – mit Argumenten und Forderungen, die längst bekannt sind.

Die entwickelte Demokratie der Alpenrepublik muss jetzt beweisen, wie stabil sie ist gegen dumpfe Parolen und einfache Antworten. Dabei wird maßgeblich entscheidend sein, wie es mit und in der EU weitergeht. Andernfalls droht der Demokratie eine Niederlage – weil Antidemokraten die Oberhand gewinnen.