Rot-Weiss Essen teilt das Schicksal vieler in der Versenkung verschwundener Traditionsklubs. Am Leben gehalten werden sie von ihren Fans, die Besseres verdient hätten. Ein Kommentar

Man muss nicht in Essen geboren sein und auch kein rot-weißes Blut in den Adern haben. Es reicht, ein Freund des Fußballs zu sein, um einem das Herz bluten zu lassen im Angesicht des Niedergangs eines Klubs, der deutsche Fußballgeschichte geschrieben hat. Helmut Rahn, Willi Lippens, Manni Burgsmüller, Frank Mill, Horst Hrubesch: Namen, die unvergessen bleiben und auch den Jüngeren unter uns noch etwas sagen.

Marcel Platzek dagegen wird kaum so lange in Erinnerung bleiben. Auch wenn der in Moers geborene, 25-jährige Regionalliga-Stürmer womöglich mit seinem 1:0-Siegtor gegen den SC Verl die Wende im Kampf der Essener um den Klassenerhalt in der vierten (!) Liga eingeleitet hat. Den drohenden Abstieg hat der RWE-Vorsitzende Michael Welling mit einem „Super-Gau“ gleichgesetzt. Dass die Existenz des Vereins auf dem Spiel stehe, hat er nicht gesagt. Es wäre auch falsch.

Vereine wie Rot-Weiss Essen, das lehrt die Fußballhistorie, können noch so tief fallen – sterben werden sie nicht. Egal wie viele gute Spieler ihnen noch abhandenkommen – das, was den deutschen Meister von 1955 am Leben erhält, bleibt: eine Anhängerschaft, die nicht kleinzukriegen ist. Sicher, vor dem Spiel gegen Verl hatte ein Gruppe zum Fan-Boykott aufgerufen und diesen zum Teil auch durchgesetzt. Aber schlussendlich waren – nach einer Durststrecke von zehn sieglosen Spielen – wieder über 6.000 Zuschauer im Stadion. Eine Zahl, von der viele Zweitligisten nur träumen.

Mit den üblichen, im Leben neben dem Fußball geltenden Maßstäben lässt sich solche unerschütterliche Treue nicht erklären. Dafür aber mit den weisen Worten des großen Eric Cantona, der nicht von ungefähr bei Manchester United gottähnlich verehrt wird: „You can change your wife, your politics, your religion. But never can you change your favorite football team.“

Deshalb haben Fans, die mit ihrem Lieblingsklub durch dick und dünn gehen und keinen Gedanken an einen Wechsel verschwenden, in schlechten Klub-Zeiten keine Häme verdient. Sondern Mitgefühl. Weil sie – wie derzeit in Essen – Besseres verdient haben.