Ein Schleudersitz ist laut Definition ein System zur Rettung der Besatzung eines Flugzeuges oder Hubschraubers bei einem drohenden Absturz. Dabei katapultiert sich der Sitz mitsamt Insassen aus dem Flugzeug. Ursula von der Leyen dürfte wissen, wie man sich auf einem Schleudersitz fühlt. Denn die Verteidigungsministerin sitzt auf einem. Ihr Amt gehört zu den politisch gefährlichsten im Kabinett – stets besteht die Bedrohung, angesichts von Skandalen und Skandälchen, Mauscheleien und Indiskretionen hinauskatapultiert zu werden.
Aktuell geht es um dubiose Machenschaften zwischen Führungskräften des Ministeriums und dem Hersteller des umstrittenen Sturmgewehrs G36. Kritiker des Gewehrs sollten entlarvt werden – mit Unterstützung des Militärischen Abschirmdienstes MAD. Im Ministerium gab es Befürworter, der MAD blockte ab. Gut so. Doch der Vorgang im Ministerium ist ein Skandal, der es in sich hat – und auch die Ministerin gefährdet. Die üblichen Fragen in solchen Fällen: Was wusste sie wann? Hat sie versucht, etwas zu verheimlichen? Wurde sie selbst getäuscht? Derzeit gibt es keine Indizien für ein Fehlverhalten von der Leyens.
Aber es wird wieder einmal deutlich, dass von der Leyen Gefahr läuft, ihren Ruf als Aufräumerin und Reformerin zu verlieren. Noch nie in ihrer Karriere war die Frau, die so professionell wie kaum jemand die eigene Karriere im Blick hat, politisch derart gefährdet. Insbesondere bei der Ausrüstung der Bundeswehr geht zu viel schief, Milliarden Euro sind im Spiel, immer wieder werden Millionen verschwendet oder verschwinden in dunklen Kanälen. Zudem trägt die Ministerin die Verantwortung für die Sicherheit der Soldaten. Bisher gelingt es von der Leyen, Pannen und Skandale als Erbe ihrer Vorgänger zu deklarieren. Diese Zeit läuft jedoch ab. Absehbar steht sie noch stärker im Fokus, und es stellt sich die Frage: Bekommt sie den Laden in den Griff? Die Antwort kennt niemand. Aber klar ist: Übersteht sie die Zeit auf dem Schleudersitz unbeschadet, wird von der Leyen ihre Ambitionen als Nummer eins der Nach-Merkel-Ära deutlich machen.