Nach dem ersten Schwarzen nun die erste Frau im Weißen Haus. Hillary Clinton verdient Respekt dafür. Und etwas Beileid zugleich.

Sie wäre die erste Frau im Oval Office des Weißen Hauses. Und die erste Frau, die ihren Gatten im höchsten Staatsamt beerbt. Das ist das leitende Motiv einer Präsidentschaftskandidatur, wie sie Amerika noch nicht erlebt hat. Hillary Clinton verdient Respekt dafür. Und etwas Beileid zugleich. Den brutalen, absehbar sexistischen Schmutzwahlkampf, der sie in den nächsten 19 Monaten in einem politisch vergifteten Land erwartet, würde sie selbst auch niemandem wünschen. Auch nicht ihren ärgsten Feinden.

Hillary Clinton hatte beim ersten Anlauf 2008 das Nachsehen, weil sie einen charismatischen Emporkömmling aus Chicago namens Barack Obama als Leichtgewicht empfand und auch so behandelte. Die Arroganz der Macht wurde ihr zum Verhängnis. Das Risiko ist diesmal so viel geringer nicht.

Bei den Republikanern drängeln sich die Möchtegern-Präsidenten geradezu. Die Demokraten haben eine alternativlose Ein-Frau-Show gebucht. Jeder Schnitzer wirkt doppelt und dreifach nach. Kann Clinton vermeiden, als die unausweichliche Kandidatin zu erscheinen, als eine Unvollendete, die das Präsidentenamt als Erbhof begreift?

Hillary Clinton ist verwundbar, weil sie seit bald 40 Jahren zur Standard-Möblierung der US-Politik gehört. Ihre Glaubwürdigkeit, die tiefen Gräben zwischen den Parteien überbrücken zu können, ist überschaubar. Dazu kommt das Biologische. Bei Amtsantritt wäre sie 69. So alt wie Ronald Reagan 1980 war. Bei aller kaum hoch genug zu schätzenden Weisheit des Alters: Von ihr frischen Wind zu erwarten, ist kühn.

Hat Clinton eine griffige, menschennahe Botschaft, die inspiriert und Wähler aus vielen Lagern anspricht? Was will sie eigentlich mit Amerika anstellen? Noch klingt alles diffus. Hillary Clinton gehört zu den am wenigsten authentischen Figuren in Washington. Die Stahlbäder der Vergangenheit haben sie zur Geheimniskrämerin gemacht. Das wahre Gesicht kennen nur wenige. Ihr dickes Fell ist Kapital und Bürde zugleich. Nur wenn ihr die richtige Balance gelingt, kann es was werden mit dem Projekt, für das am Sonntag der Startschuss fiel: Nach dem ersten Schwarzen die erste Frau im Weißen Haus.