Wer Wolf Biermann einlädt, muss mit allem rechnen. Das wusste auch Bundestagspräsident Lammert. Er tat es trotzdem. Nun ist Biermann in seiner Radikalität und Unversöhnlichkeit sicherlich kein Musterbeispiel für die Stimmung der Deutschen, die an diesem Wochenende den Mauerfall vor 25 Jahren feiern. Dennoch spiegelt Biermann auch eine Gefühlslage, eine Nachdenklichkeit in diesen Tagen.

Trotz aller Freude und Dankbarkeit, trotz hunderttausender Menschen, die sich allein in Berlin versammeln, sind manche Wunden der Vergangenheit nicht verheilt. Zumindest schmerzen viele Narben noch immer. Während die jüngere Generation geeint aufwächst und die Teilung – wenn überhaupt – nur aus Geschichtsbüchern oder Filmen kennt, weckt der Rückblick bei Älteren Erinnerungen an die Trennung, an Diktatur und Unrecht in der DDR.

Diese Stimmung griff bereits Bundespräsident Gauck Anfang der Woche auf, als er mit Blick auf Thüringen seine Kritik an der bevorstehenden Wahl Bodo Ramelows zum ersten linken Ministerpräsidenten äußerte. Die Linke steht in der Tradition der SED, da sind solche Äußerungen menschlich nachvollziehbar und treffen den Nerv vor allem derjenigen, die die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit als unbefriedigend empfinden.

Ungeachtet dessen ist der 9. November für die Deutschen vor allem ein Grund zum Feiern. Die harte politische Realität kehrt ohnehin früh genug zurück. Spätestens, wenn es beim Feilschen um den Solidarpakt und den Länderfinanzausgleich um sehr viel Geld geht.