Velbert . Wie sieht es aus in einem Gebiet, in dem bloß ein Mensch pro Quadratkilometer zu Hause ist? Ist überall nur Leere und das Landesinnere so stürmisch und schroff wie die Felsen der Küste, gegen die die Brandung schlägt? Zeus-Autorin Lea Tannhof hat sich ein Jahr lang in Patagonien umgeschaut.

. Patagonien und Feuerland haben allein durch ihre Lage „am Ende der Welt“ ihren Reiz: Patagonien ist der Teil Südamerikas, der nördlich der Magellanstraße liegt, das Feuerland liegt südlich davon. Die Anden trennen das Land in Westpatagonien, das überwiegend zu Chile gehört und Ostpatagonien, das größtenteils zu Argentinien gehört. Das ferne Land reizt aber auch durch seine verborgenen Geschichten und Geheimnisse. Zum Beispiel solche von verunglückten Seglern oder Frachtschiffen, die verrostet und geisterhaft einsam an der verlassenen Küste gestrandet sind.

Mitten im „Nichts“

Bis heute sind hier keine Hotelanlagen, Badestrände oder Jachthäfen zu finden. Nur sehr selten mal eine kleine Industriestadt, erreichbar über ihren winzigen Frachthafen, doch sonst getrennt von allem, in der kahlen Steppenlandschaft liegend. Am besten beschreibt man diese Landschaft mit dem Wörtchen „Nichts“. Es ist so unvorstellbar, und doch findet man weder Städte und Menschen, noch Pflanzen und Rinderherden. Bloß die Weite, bestehend aus ein paar Steinen und einigen trockenen Bodensträuchern. Und doch tun sich hier und da bezaubernde Orte auf.

Mitten in diesem riesigen, platten Nichts ein Hügel. Erklimmt man ihn, kann man in einen tiefblauen Vulkansee blicken. Klares Wasser liegt ganz still, durch das Gestein des alten Vulkans vom kräftigen Wind geschützt, einige Meter tiefer. Ein so ruhiger, in dieser Gegend fast unwirklicher Anblick, gegenüber der sonst reißenden Flüsse, die uns in den Westen, Richtung Anden führen.

Gigantische Gletscher und massige Eiswände

Diese Gebirgskette ist aber nicht nur kantig und schroff: Dort sind Wälder und grüne Gegenden zu finden, bezaubernde Schauplätze der Natur, belebt von den unterschiedlichsten Tierarten: Die landesüblichen, an Rehe erinnernde Guanakos und Gürteltiere oder beeindruckende Vogelarten wie der Kondor. Und die Anden haben noch mehr zu bieten: Gletscher, die gigantisch in die Höhe ragen. Massige Eiswände, teils bis zu hundert Metern hoch. Dazu ist es in der Zeit globaler Erwärmung womöglich der einzige Ort auf unserer Welt, an dem die Gletscher weiterhin an Masse zunehmen. Sie schieben sich immer weiter vor in die Seen, in denen die abgesplitterten Berge und Schollen vor sich hin treiben.

„Das Leben ist hart, eisig und wild“ 

An diesem beeindruckenden Ort sind sogar Menschen zu finden. Überwiegend jedoch Touristen. Denn ursprüngliche Bewohner der Region trifft man so nicht: Die echten Gauchos leben unvergleichbar. Gemeinsam mir ihren Familien bewohnen sie Höfe, die so genannten „Estancias“, die ganz vereinzelt im Nichts verteilt liegen. Die Gebäude bestehen meistens aus Wellblech, gedeckt mit roten Dächern. Wohnhaus, Lagerhütten und Stallungen, alle im gleichen Stil gehalten. Der Standard beschränkt aufs absolute Minimum. Gekocht wird auf Feuer, geheizt nur selten, und wenn dann mit Gas, und wer von durchgängiger Stromversorgung ausgeht, ist schief gewickelt. Das Leben ist hart, eisig und wild. Und doch strahlen die Estancias ihr ganz eigenes Ambiente aus.

Genau so wie die erst kalt wirkenden, einfachen Bewohner, bei denen man es dennoch schafft, in ihr warmes Herz zu schauen. Zum Beispiel, wenn man das in Lateinamerika übliche Getränk, eine „Mate“, mit ihnen teilt. Allein die Geste, wenn einem das gleiche Trinkgefäß (meist selbst gemacht) weitergereicht wird. Jeder saugt an dem gleichen Halm, bis das Getränk seine Runden durch alle Hände gedreht hat. So ein Brauch mag hier für einige befremdlich klingen, doch er verbindet.

Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt

Nach dem Überqueren der Magellanstraße, einer langen Reise durch die Berge und das „Nichts“ bis an die Spitze Feuerlands wartet eine letzte Stadt: Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt. Hier blüht das Menschliche noch einmal auf. In einer Mischung aus den gut erhaltenen, ursprünglichen Wellblechhäuschen und der Kapelle, dem historischen, alten Kern und der Natur. In Museen kann man viel über die Kultur erfahren, in den angrenzenden Bergen ist der Wintersport zunehmend verbreitet und auch Ausflüge in die pure Natur, zum Wandern und Erkunden sind in dem Nationalpark möglich.

Dann erreicht man den allerletzten Leuchtturm der Welt. Einsam liegt er auf einer kleinen, felsigen Insel im eiskalten, peitschenden Meer. Je nach Jahreszeit in Gesellschaft von Seerobben, Pinguinen oder seltenen Vogelarten. Doch sonst vollkommen in den Sturm gestellt und allein. Er birgt sicher noch viele spannende Geschichten und Geheimnisse über dieses beeindruckende Land „am Ende der Welt“ in sich.

Lea Josefin Tannhof, 12 A, Berufskolleg Bleibergquelle, Velbert