Moers. . In der Europäischen Union leiden schätzungsweise 30 Millionen Menschen an Burnout. Oft wird die Krankheit erst spät erkannt, dabei kann eine Therapie Linderung verschaffen.

Martin kommt nach Hause und schließt die Tür auf. Er ist total schlapp. Sein Kopf ist gesenkt und er schlürft nur noch in sein Schlafzimmer. In der Küche und im Wohnzimmer herrscht das Chaos. „Keiner kann mal irgendwas aufräumen“, brummelt er unzufrieden vor sich hin. Er schmeißt seine Tasche vor Wut auf den Boden und fällt auf sein Bett. Er weiß nicht, wie er das alles schaffen soll; er weiß einfach nicht mehr weiter.

Martin ist Altenpfleger und leidet unter Burnout. Martin ist kein Einzelfall. Martin gibt es nicht wirklich, er steht stellvertreten für circa 30 Millionen Menschen in der Europäischen Union, die unter der nicht anerkannten Krankheit leiden. Oft sind es Menschen, die mit ihrem Beruf überfordert sind.

Erstmals wurde in den 1970er Jahren der Name „Burnout-Syndrom“ in den USA im Zusammenhang mit überlasteten Angestellten in Pflegeberufen erwähnt. Seit den 1990ern weitet sich die Krankheit aber auch auf andere Berufsgruppen, wie beispielsweise Sportler und Politiker, aber auch pflegende Angehörige, aus. Die Krankheit lässt sich grundsätzlich in drei Dimensionen unterteilen: Erschöpfung durch Überarbeitung, fehlende Distanz zum Beruf und mangelndes Selbstwertgefühl.

Burnout beging oft mit Überarbeitung

Martin schläft sofort ein. Am nächsten Morgen um halb sechs ist es wieder soweit. Der Wecker klingelt. Martin steht auf und macht sich fertig. Er putzt sich die Zähne und frühstückt alleine in der Küche – aber eigentlich hat er gar keinen Hunger. Er fühlt sich schlapp und träge, wie immer hat er keine Lust, zur Arbeit zu fahren. Am liebsten würde er einfach alleine auf der Coach liegen und vielleicht ein bisschen Fernsehen, doch er muss wie jeden Tag seinen Pflichten nach gehen.

Martin war immer einer der engagierten Mitarbeiter; doch seit einiger Zeit ist es ihm einfach zu viel. Dies ist die Anfangsphase des Burnout-Syndroms – nennen wir sie „Überarbeitung und meiden sozialer Kontakte“. Es gibt noch viele weitere und schlimmere Phasen des Burnouts, wie zum Beispiel Selbstmordgedanken, Selbstzweifel am Privat- und Berufsleben sowie Depressionen. Die Betroffenen können ihre Fehler oft selbst nicht eingestehen und schieben diese dann auf ihre Mitmenschen, wie zum Beispiel ihre Kollegen. Außerdem können sie ihre innere Leere nicht gut überspielen und greifen dann oft zu Drogen oder ändern ihre Essgewohnheiten und tendieren so zu Unter- oder Übergewicht.

Es kommt unter anderem zu Gewichtsveränderungen

Da die Betroffenen dann häufig nicht mit der Gewichtsveränderung klar kommen und überarbeitet sind, ist die Gefahr eines Nervenzusammenbruchs sehr hoch. Unter anderem pflegen sie ihre sozialen Kontakte während des Burnout-Syndroms nur sehr selten. Deswegen wird das Syndrom oft auch sehr schlecht und zu spät erkannt und den Betroffenen kann nicht früh genug geholfen werden.

Martins Freunde wunderten sich immer, wieso er nie Zeit für sie hatte. Jetzt wissen sie es. Er war, oder besser gesagt ist, überfordert mit seinem Leben und kann sich schlecht mit ihnen treffen. Dies ist ein großes Problem für Martin, denn durch Kontaktverluste kann er Depressionen bekommen – wie hundert weitere Betroffene ebenfalls.

Heute ist es wieder soweit. Das Handy klingelt, Martins Freund Klaus ruft an: „Hallo Martin. Hast du vielleicht Lust, dich heute Abend mit Andreas und mir in unserer Kneipe zu treffen?“ Martin antwortet: „Nein, tut mir echt leid, aber ich habe ständig so einen Zeitdruck, da möchte ich heute Abend mal für mich sein. Ich hoffe, das ist nicht allzu schlimm.“ Klaus sagt: „In letzter Zeit hast du fast nie mehr für uns Zeit. Ich denke du solltest Dir mal mehr Freizeit schaffen.“ Klaus legt auf.

Arbeiten bis zum Nervenzusammenbruch

Martin geht traurig in sein Wohnzimmer. Nachdem er ein paar Gläser Rotwein getrunken hat, schläft er, wie in jeder freien Minute, auf der Couch ein. In den nächsten Tagen wird es immer schlimmer bis er einen Nervenzusammenbruch erleidet. Er wird sofort ins Krankenhaus eingeliefert und intensiv durchgecheckt. Nun gibt es keinen Zweifel mehr: das Burnout-Syndrom.

Martin wollte es sich einfach nie eingestehen, er hatte immer allen beweisen wollen, dass er alles schafft und nun ist es soweit gekommen, wie er es sich niemals gedacht hätte. Er liegt im Krankenhaus-Bett und denkt nach. Vielleicht hätte er lieber auf Klaus hören sollen und sich mehr Freizeit schaffen sollen. Doch jetzt ist es zu spät, oder doch nicht?

Vielen Betroffenen geht es genauso wie Martin. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Burnout wird allein in der EU auf circa 6,3 Milliarden Euro geschätzt. Die Einbußen entstehen den Arbeitgebern durch den Ausfall des Mitarbeiters, den Krankenkassen durch die Arzt- und Therapiekosten und dem Staat, da die Betroffenen im Extremfall ihre Arbeit nicht weiter ausüben können und auf Sozialleistungen angewiesen sind. Aber auch die mangelnde Leistung des Mitarbeiters, Unachtsamkeiten durch Konzentrationsschwäche und daraus resultierende Fehler kosten die Betriebe Geld.

Kognitive Verhaltenstherapie verspricht Besserung

Leider ist es so, dass es nicht „die“ Therapie gegen das Syndrom gibt. Die bis jetzt beste und erfolgreichste Therapie ist offenbar die „kognitive Verhaltenstherapie“. Sie wurde bereits in den 1960er Jahren von US-Amerikanern entwickelt. Diese Therapie reduziert den Burnout und gibt dem Patienten wieder eine bessere Lebenseinstellung.

Die Länge dieser Therapie ist schwer abzuschätzen, da sie von Patient zu Patient unterschiedlich lange dauert. Unter anderem hängt es von der Art der Probleme ab und wie schwer dieser Fall ist. Die Psychotherapeuten lassen die Betroffenen oft erstmals ein Tagebuch schreiben, um ihre eigenen Gedanken einschätzen und kennenlernen zu können. Beim Therapeuten werden dann zum Beispiel Entspannungsübungen gemacht und/oder Problemlösestrategien entworfen.

Wegen der positiven Erfahrungen mit dieser Therapie, entschied auch Martin sich – nach Beratung mit seinem Arzt – für sie. Als er wieder zu Hause ist, nimmt er sich erstmals Zeit für sich, seine Freunde und Familie. Er arbeitet zwar noch im Altenheim, da ihm dies immer noch Spaß macht, aber er hat mehr Freizeit und ist viel ausgeglichener. Um eine erneute Erkrankung auszuschließen, bespricht er sich nun oft mit seinen Kollegen, strukturiert in Abstimmung mit ihnen seine Arbeit und hat sich auch in seiner Freizeit feste Termine für Sport und Hobby gesetzt. Einmal in der Woche geht Martin nach wie vor zur Therapie, um weiterhin an sich, seiner Tagesstruktur und Lebensführung zu arbeiten.

Sophie Weßels, 8e, Gymnasium Adolfinum, Moers