Marsberg. .

Peter Steinbach, Michael Peters und Sascha Lindermann im Gespräch über die Möglichkeiten und Chancen des Maßregelvollzugs mit Anja Westendarp, Ärztliche Direktorin des LWL-Therapiezentrums Marsberg.

Welche Möglichkeiten bietet der Maßregelvollzug im Gegensatz zum Strafvollzug?


Anja Westendarp: Im Gegensatz zum Strafvollzug kümmert sich der Maßregelvollzug um psychisch Kranke oder, wie hier in Marsberg, um suchtkranke Straftäter. Der Maßregelvollzug bietet die unterschiedlichsten therapeutischen Angebote und eine Reihe von schulischen und beruflichen Fortbildungsmöglichkeiten, die der Strafvollzug seinen Gefangenen wegen der geringeren Tagessätze oft nicht in diesem Maße bieten kann.

Welche Hilfestellung gibt die Klinik den Patienten für die Zeit nach der Therapie?

Ein wichtiges Ziel der Therapie ist es, die Eigenwahrnehmung und Selbstregulation der Patienten zu fördern. Sie sollen unter anderem befähigt werden, sich im gesellschaftlichen Kontext wahrzunehmen und entsprechend zu verhalten. Neben diesen Hilfestellungen zur Persönlichkeitsentwicklung, gibt es die Möglichkeit, Schulabschlüsse zu erlangen. Zur Verbesserung der beruflichen Möglichkeiten können Ausbildungsmodule in der Arbeitstherapie durchlaufen werden. Diese Eckpunkte der Therapie sind geeignet, eine erfolgreiche Integration in „normale“ gesellschaftliche Verhältnisse zu erleichtern. Das therapeutische Angebot ist auf die individuellen Bedürfnisse, Defizite und Störungen, aber auch Ressourcen unserer Patienten zugeschnitten und ermöglicht in fein abgestimmten Lockerungsstufen die schrittweise Reintegration in die Gesellschaft. In diesen Phasen werden die Patienten von der Klinik unterstützend betreut. Gleichwohl unterstehen sie ständiger aufmerksamer Kontrolle, um möglichen Rückfällen vorzubeugen bzw. sie zu erkennen.

Gibt es Untersuchungen über den Langzeiterfolg der Therapie?

Das ist eine spannende Frage! Uns interessiert natürlich, wie effektiv unsere Arbeit ist. Deshalb haben wir in einer rückblickenden Studie untersucht, wie hoch die Rückfallquote unserer Patienten während der „Time of Risk“, also drei Jahre nach der Entlassung, ist. Danach sind 58 Prozent der Patienten in dieser Zeit nicht erneut straffällig geworden. 42 Prozent der Patienten sind mit Straftaten rückfällig geworden, wobei allerdings bezogen auf alle nur 11 Prozent erneut eine Freiheitsstrafe verbüßen mussten. Außerdem ist ein deutlicher Rückgang der Gewaltdelikte zu verzeichnen. Nach Haftstrafen ist die Zahl der Rückfälligen deutlich höher. Darüber hinaus haben wir im Rahmen einer noch laufenden Studie mit Hilfe von Fragebögen anonym Auskünfte zur Einschätzung des Therapieverlaufes und der momentanen Lebensumstände unserer ehemaligen Patienten eingeholt, aber auch zu möglichen Rückfällen. Als vorläufiges Ergebnis zeichnet sich ab, dass eine deutliche Korrelation zwischen Rückfälligkeit und mangelnden sozialen Bindungen besteht. Das heißt, je intakter das soziale Umfeld ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, straffrei zu bleiben. Trotz geringen Einkommens und zum Teil hoher Verschuldung, gaben viele Patienten an, zufrieden zu sein. Für unsere Therapie bedeutet diese Erkenntnis, dass Beziehungsarbeit und die Einbeziehung von Angehörigen weiterhin einen wichtigen Stellenwert haben.

Welche Visionen haben sie für die Zukunft?


Ich habe mir als ein Ziel gesetzt, die Zahl der Patienten, die die Therapie vorzeitig abbrechen, weiter zu verringern. Momentan bewegt sich dieser Anteil zwischen 45 und 55 Prozent. Das entspricht zwar dem Bundesdurchschnitt, aber da lässt sich noch etwas bewegen. Ein weiteres Ziel ist die Spezifizierung unseres Therapieangebotes auf die Behandlung bestimmter Störungsbilder, um diesen effektiver begegnen zu können. Das praktizieren wir bereits, sind aber hier noch ausbaufähig.

Michael Peters, Sascha Lindermann und Peter Steinbach, Klasse 10, Schule am Bomberg II, Marsberg