Hagen. . Einsätze zur Abwehr von Gefahren für Menschen, Tiere und Sachwerte sind die Männer und Frauen der Berufsfeuerwehr Hagen gewohnt. Zeus-Reporterin Melina Pfeiffer begleitete zwei Feuerwehrmänner bei ihrer 24-Stunden-Schicht.
Die Einsätze verlangen ihnen alles ab und fordern die Einsatzkräfte sowohl physisch als auch psychisch. Wie stark belastend die Erlebnisse und Einsatzbilder meist für die Feuerwehrleute sind, wissen allerdings die Wenigsten.
Ein lauter Gong und das Piepen ihres Melders reißt Dirk Schulz und Björn Berk in dieser Neujahrsnacht um drei Uhr aus dem Schlaf. Wieder einmal heißt es Einsatz für einen der vier Rettungswagen (RTW) der Feuer- und Rettungswache 1 in Hagen Mitte. Es ist nur einer von vielen, denn im Schnitt fahren die Hagener zwischen 12 und 16 Rettungsfahrten pro 24 Stundenschicht und je RTW. Das ist bedeutend mehr als im sogenannten „blauen’‘ Dienst auf dem Löschzug, also beim Brandschutz oder bei der technischen Hilfeleistung. „Rettungsdienst ist sehr anstrengend. Du stehst die ganze Zeit unter Strom, musst immer einsatzbereit sein. Da weißt du schon bei Dienstantritt, dass es ein stressiger Tag wird. Richtig ausruhen kann man sich da nie“, weiß Schulz.
Dienste sind 24 Stunden lang
Die beiden Routiniers, die mittlerweile seit über zehn Jahren bei der Berufsfeuerwehr Hagen arbeiten, springen also eilig aus den Betten, da sie während ihrem 24 Stundendienst auf der Wache übernachten. Jetzt heißt es schnell sein, denn innerhalb einer Minute müssen die Männer bereit sein zum Ausrücken. Beide ziehen sich ihre für den Rettungsdienst typischen flammend roten Hosen sowie die schwarzen Stiefel an und rennen hinunter in die Fahrzeughalle der Wache. Die Meldung, welche sie per Funk von der Leitstelle erhalten, ist allerdings wenig informativ und konkret. Bis auf den angebenden Einsatzort, bekommen sie lediglich die Nachricht, dass eine Frau hysterisch um Hilfe schreit. Die Kollegen schauen sich vielsagend an, ehe sie losfahren. „Solche Einsätze, ohne genaue Angaben sind nicht selten und immer eine besondere Herausforderung, da wir keine Ahnung haben was uns erwartet“, sagt Berk.
Allein ihre geistige Vorstellungskraft bleibt den Beamten nun, um sich ein mögliches Einsatzbild machen zu können und die eventuell zu erwartende Situation zu hinterfragen. „Es ist schon komisch, wenn man nicht weiß, was kommt. Oft reimt man sich dann im Kopf etwas zusammen. Diese „bösen“ Sachen sind zwar meist unspektakulärer, als vorher angenommen, aber es gibt halt auch Ausnahmen“, bemerkt Schulz. Denn oft erwarten die Feuerwehr- und Rettungskräfte Einsätze, bei denen sie ihr ganzes Können aufbieten müssen und physisch wie psychisch an ihre persönlichen Grenzen gebracht werden, wie beispielsweise ein Verkehrsunfall, bei dem immer wieder Verletzte versorgt oder gar Tote geborgen werden müssen. Ein anderes Beispiel sind Brände bei denen sie ihr eigenes Leben riskieren, um andere zu retten. Derartige Situationen gehören zu ihrem Berufsalltag, wie für andere ein Computer.
Kinder machen die Situation noch dramatischer
Nachdem sie am Einsatzort eintreffen, werden sie in eine Wohnung geführt, wo ein Elfjähriger leblos in seinem Bett liegt. Sofort fordern sie den Notarzt an und beginnen mit der Reanimation. Durch die Mutter des Jungen, die sich nicht beruhigen lässt, werden die beiden ständig von ihrer Arbeit unterbrochen, bis sie die Frau schließlich vor die Tür setzten. „In so einer Situation ist es wichtig einen kühlen Kopf zu bewahren, damit man ruhig und konzentriert seine Arbeit machen kann. Es entstehen schon mal gemischte Gefühle. Da darf man nicht die Kontrolle verlieren, sonst wird man selbst hektisch“, erklärt Berk. Kollege Schulz fügt zudem noch hinzu, dass hier vor allem die Routine und Erfahrung meist von großer Bedeutung ist, um den Überblick zu behalten. Leider kommt für den Jungen trotzdem jegliche Hilfe zu spät. Er ist tot.
Wie die Einsatzkräfte mit solch einer Situation und der Begegnung mit dem Tod umgehen, ist vom Einsatz selbst abhängig. Allerdings sind sich die Feuerwehrleute in einer Sache einig. „Tragisch wird es vor allem, wenn Kinder oder Tote die Opfer sind“, sagt Schulz. Zudem spielt auch die Länge des Einsatzes eine Rolle, denn meist müssen die Männer auf das Eintreffen der Kripo, zum Beispiel bei unklarer Todesursache, warten und bekommen so natürlich auch die Trauer der Menschen um sie herum mit. Kinder, vor allem in der Rolle des Opfers, machen die Situation so noch dramatischer. „Man fragt sich bei so etwas manchmal schon, was wäre, wenn es dein Kind gewesen wäre oder wie ich mich in so einer Lage fühlen würde“ erzählt Berk, der selbst Familienvater ist. Oft stellen sich gerade nach einem solchen Einsatz vor allem die jüngeren Feuerwehrleute die Frage, ob sie nicht etwas hätten anders oder besser machen können, um das Leben eines Patienten zu retten. „Das nimmt einen dann schon mit, aber man versucht, das Emotionale auszublenden. Dies geht aber wirklich nur, wenn du die Hintergründe oder die Personen selbst nicht kennst“, sagt Schulz.
Kollegen sind kleine Familie
Hilfe bei der Verarbeitung der Erlebnisse bekommen die Einsatzkräfte von der Notfallseelsorge oder sie besprechen den Einsatz im Kreis der Kollegen. „So etwas hilft ungemein. Wir sind hier so etwas wie eine kleine Familie, da unterstützt man sich“, sagt Berk. Ganz vergessen, was sie erlebt und gesehen haben, indem sie ihre Uniform ablegen und nach Dienstende nach Hause fahren, können die Beamten der Feuerwehr allerdings nicht.
„Einiges trägt man mit nach Hause, erzählen tue ich selbst aber wenig bis gar nicht. Allerdings handhabt das jeder anders“, berichtet Schulz. „Auch der Weg zur Arbeit kann ein Pfad der Erinnerungen werden, wenn man an Stellen oder Orten vorbeikommt, an denen man mal im Einsatz gewesen ist. An einige Sachen kann ich mich sogar nach zehn Jahren noch genau erinnern“, sagt Berk.
Niemand möchte diesen Job missen
Die Berufsfeuerwehrleute, die zum Teil auch noch in einer Einheit der Freiwilligen Feuerwehr sind, müssen in ihrem Job viel ertragen. Sie sind Leid und Tod näher als andere. Doch die Zusammenarbeit mit den Kollegen gibt ihnen Halt und erleichtert den Berufsalltag sowie die Verarbeitung ihrer Erlebnisse, da sie mit Situationen klarkommen müssen, die manch einer nie zu Gesicht bekommen wird. Missen würden wohl die meisten, wenn nicht sogar alle, ihren Job, auch wenn sie sicher auch mal froh sind zu Hause zu sein und mal nicht zum Dienst zu müssen.
Die Abwechslung, Spannung und der Spaß machen diesen Beruf mit all seinen Facetten wohl zu einem der aufregendsten, die es gibt. Leider wird ihm aber immer weniger Anerkennung geschenkt, denn vielen ist gar nicht bewusst, was die Einsatzkräfte leisten.
Melina Pfeiffer, 11. Klasse, Gesamtschule Haspe, Hagen