Essen. . Die Zeus-Reporterinnen Lena Frühauf und Alina Metz interviewten Serife Cantürk, die Dank eines Stipendiums für ein Praktikum in China war.

Unsere Mitschülerin Serife Cantürk, Jahrgangsstufe 12, hatte sich um ein Betriebspraktikum der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung im Ausland beworben und war dadurch vier Wochen lang in China. Wir haben sie interviewt und sie nach ihren Erfahrungen und Erlebnissen im Reich der Mitte gefragt.

Zeus: Wie lange dauerte der Flug nach China?

Serife: Fast 20 Stunden. Wir mussten beim Rückflug dreimal fliegen: von Xuzhou, der Stadt, in der ich war, nach Peking, von Peking nach München und schließlich nach Düsseldorf. Außerdem gibt es noch die Zeitverschiebung von sechs Stunden, an die man sich wieder anpassen muss.

Hast du deine Familie und Freunde vermisst?

Ich habe mit meiner Familie und meinen Freunden den Kontakt stets per E-Mail aufrechterhalten und ihnen von meinem Alltag dort erzählt. Da ich schon ausgezogen bin und allein wohne, hatte ich nicht wirklich Heimweh, aber ich habe es auf jeden Fall vermisst, mit meiner Familie zusammensitzen zu können oder mich mit meinen Freunden zu treffen.

Hast du dort neue Freunde gefunden?

An der Universität, an der ich mein Praktikum absolviert habe, der CUMT, studieren etwa 120 Studenten das Fach Germanistik. Ich als Praktikantin dort hatte nicht nur die Aufgabe, den Germanistikprofessoren im Unterricht zu assistieren und zu hospitieren, sondern auch durch Dialoge die Deutschkenntnisse der Studenten zu verbessern. Deshalb haben wir sehr oft und sehr viel mit den Studenten geredet. Sie waren alle sehr freundlich, offen und neugierig – und interessiert an dem Leben in Deutschland. Deshalb hat man sich ganz automatisch mit allen Studenten angefreundet und ging dann oft gemeinsam essen.

Hast du in China noch andere Europäer gesehen?

In der Stadt Xuzhou leben etwa 1,9 Millionen Menschen. Es gab aber keinen einzigen Europäer auf der Straße. Das hat sich natürlich auch im Verhalten der Chinesen widergespiegelt. Es war inzwischen schon gewöhnlich und gehörte bei uns dazu, dass wir auf der Straße angestarrt wurden, vor allem unsere Augen und unsere Nasen, und dass die Menschen einfach so ihr Handy rausholten und Fotos von uns oder mit uns machten. Ganz oft zeigten die Kinder auch mit dem Finger auf uns und zeigten uns ihren Eltern oder aber die Eltern packten den Kopf ihres Kindes und drehten ihn in unsere Richtung und zeigten auf uns, als seien wir eine Attraktion. Gerne auch stellten sich die Leute einfach neben uns und ließen jemand anderen ein Foto mit uns machen. In Peking war es schon etwas angenehmer, da es dort viele Touristen gab und wir nicht mehr so sehr auffielen.

Wie ist das Essen dort? Gibt es China wirklich so viel Exotisches?

Die Gerichte waren eigentlich alle ganz ähnlich. Meist gab es Nudeln in einer Suppe. Daneben schwamm dann immer ein halbes Ei, das braun war wegen irgendwelcher Gewürze. Reis war unverzichtbar! Reis mit Gemüse, Reis mit Rind, Reis mit allem. Außerdem wurde dort alles warm getrunken, auch Wasser. Das mutigste, was wir gemacht haben, war, einen Frosch zu probieren. Schlange, Seidenkäfer, Gänseköpfe, Hund, Schildkröten oder Hühnerkrallen wollten wir dann doch lieber den Chinesen überlassen. Dass die Tiere am Buffet teilweise noch lebten, war für die Chinesen nicht schlimm. Es gab aber auch einige sehr köstliche Gerichte, die wir gerne gegessen haben. Neben der Peking-Ente z.B. die chinesischen Maultaschen, bao zi.

Magst du die chinesische Sprache?

Chinesisch ist eine tolle Sprache. Sie ist ganz anders als die europäischen Sprachen, die ich spreche. Ich liebe es sowieso, verschiedene Kulturen und Sprachen kennen zu lernen, aber Chinesisch hat es mir echt angetan. Ich mag Kalligrafien, die Sprachmelodie und die chinesische Aussprache. Dank des Praktikums weiß ich jetzt, dass Chinesisch gar nicht so schwer ist, wie ich mir das vorgestellt hatte. Nun traue ich mich, einen Chinesischkurs an der Volkshochschule zu beginnen.

Was hat dir an China am besten gefallen?

Die Tradition. China hat eine sehr lange Geschichte und eine mitreißende Kultur. Mir gefiel alles, was traditionell chinesisch war: die Kleidung, die Dekoration und vor allem die Architektur. Die Dächer, die Fenster, die Brücken und die kleinen Tempel fand ich am schönsten, weil sie immer eine gewisse Symmetrie aufwiesen und einfach nur das waren, was man auf der ganzen Welt als „typisch chinesisch“ bezeichnen würde.

Wie ist es unter Chinesen? Sind sie freundlich?

Die Chinesen, die ich an der Universität kennen gelernt habe, waren alle sehr freundlich und immer sehr höflich. In der Stadt aber sah es manchmal ganz anders aus, weil die Chinesen auch sehr hektisch sein können. Einige waren sehr leicht reizbar, vor allem wegen der riesigen Masse an Menschen, die man in China vorfindet. Aber zu uns waren immer alle sehr freundlich und hilfsbereit, auch wenn sie nicht unsere Sprache sprachen.

Stimmen die Klischees über Chinesen, zum Beispiel dass Chinesen immer Reis essen, kein R sprechen können, höflich und leise sind und immer lächeln?

Teilweise. An der Universität studierten junge Menschen aus ganz China. Daran, was sie aßen, konnte man immer erkennen, aus welchem Teil Chinas sie kamen. Reis essen vor allem die Chinesen aus dem Süden, wobei die Chinesen aus nördlich gelegenen Städten eher Nudeln essen. Es stimmt aber, dass eines von beiden bei jeder Mahlzeit unbedingt dabei ist. Dafür essen Chinesen kein Brot. Dieses Klischee stimmt also. Es haben uns viele Studenten gefragt, wie wir es schaffen, das R so auszusprechen. Wir konnten ihnen keine zufrieden stellende Antwort darauf geben. Wir können es einfach. Chinesische Germanistikstudenten hingegen müssen jeden Morgen nach dem Zähneputzen minutenlang Gurgeln, um es mit der Zeit zu lernen. Dieses Klischee stimmt also auch. Dass Chinesen höflich und leise sind oder immer lächeln, kann man nicht wirklich sagen. Ich glaube, es gibt kein Volk, von dem man behaupten könnte, dass dort alle höflich sind. Es gibt nun einmal Beides, auch in China. Dass Chinesen leise sind, ist aber definitiv ein falsches Klischee: Chinesen sind laut. Sehr laut. Sie schreien auf der Straße oder beim Telefonieren, sie hupen, was das Zeug hält, sie lachen laut und vor allem essen sie gerne laut. Das laute Schlürfen ist mit Stäbchen nicht zu vermeiden.

Wie ist es, mit Stäbchen zu essen?

Am Anfang habe ich meistens vergessen, mein Besteck mitzunehmen und musste dann mit den Stäbchen kämpfen. Es war eine Herausforderung, die Nudeln so schnell zum Mund zu führen, dass sie wegen der Suppe nicht sofort wieder runterrutschen konnten. Nach etwa einer Woche klappte es dann schon viel besser. Ich hatte dann das erste Mal, seitdem ich in China war, aufessen können. Es war ein tolles Gefühl, satt zu sein.

Welche Stadt hat dir am meisten gefallen und warum?

Xuzhou. Peking ist wunderschön, aber definitiv zu voll. Knapp 20 Millionen Bewohner sind einfach zu viele Menschen. Die U-Bahnen kamen alle drei Minuten, waren aber trotzdem alle brechend voll. Auf der Straße konnte man kaum richtig laufen wegen der Menge. Xuzhou hingegen war eher eine normale, typisch chinesische Stadt. Mir schien Xuzhou einfach authentischer, weil dort nicht alles mit westlicher Orientierung modernisiert für die Touristen war, sondern man war mitten im Alltag der Chinesen.

Wie ist das Wetter dort?

Es war im Durchschnitt um die 25° C in Xuzhou. In Peking war es recht sommerlich mit etwa 30° C. Es hat nur zweimal geregnet.

Gibt es typisch chinesische Kleidung?

Ich hatte in einem Museum die Möglichkeit, ein traditionell chinesisches Brautkleid anzuziehen und Fotos auf dem nachgebauten Kaiserthron zu machen. Die traditionelle Hochzeitskleidung der Chinesen ist rot, wobei viele junge Menschen das westliche Weiß bevorzugen würden. Außerdem gibt es den Qipao. Das ist ein typisch chinesisches Kleid mit hoch geschlossenem Kragen, Knöpfen oder Schlaufenverschlüssen an der Schulter und Schlitzen an den Seiten. Die fand ich am schönsten und habe mir auch einen Qipao mit einer Haarnadel in Peking gekauft. Sehr schade, dass Chinesen nur noch selten ihre traditionelle Kleidung tragen.

Würdest du noch mal nach China fahren?

Auf jeden Fall. Generell würde ich Reiseziele in Asien bevorzugen, weil mich ihre Geschichten und ihre Traditionen sehr reizen. Wenn ich meinen Chinesischkurs abgeschlossen habe, möchte ich auch noch mal nach China, um meine Freunde dort zu besuchen. Außerdem war ich ja auch noch nicht in Shanghai, Hongkong, Taiwan oder Nanjing. Es gibt dort sicherlich noch eine Menge zu entdecken.

Lena Frühauf und Alina Metz, Klasse 8a, Gymnasium Essen-Nord-Ost