Bochum. .
Firmen investieren oft zu wenig in den Schutz der Umwelt, weil die Umwelt noch zu häufig als wertlos erachtet, meint Meeresbiologe Ralph Tollrian von der Ruhr-Universität. Ein Gespräch über bedrohte Tierarten und Öl-Katastrophen.
Ein Interview mit Professor Ralph Tollrian vom Lehrstuhl für Evolutionsökologie und Biodiversität der Tiere der Ruhr-Universität Bochum (RUB).
Was machen Sie als Meeresbiologe?
Ralph Tollrian: Ich erforsche die Organismen des Meers, ihre Beziehungen zueinander und zu ihrer Umwelt sowie ihre Anpassungen, sowohl an Fraßfeinde als auch an Beute und natürlich an die physikalischen Bedingungen, wie zum Beispiel den Salzgehalt oder die Temperatur.
Welchen Einfluss hat die Klimaerwärmung auf die Lebewesen im Meer?
Organismen sind über lange Zeit an die Temperaturbedingungen ihrer Umwelt angepasst. Wenn sich die Temperatur schnell ändert, können sie sich nicht schnell genug anpassen. Arten, die an warme Bedingungen angepasst sind, breiten sich weiter nach Norden aus. Andere Arten werden verdrängt. Viele Arten sterben aus. Das sieht man zum Beispiel aktuell beim „Coral Bleaching“ in den Korallenriffen.
Was steckt hinter dem Begriff Coral Bleaching?
Die Korallenriffe entstehen durch eine Zusammenarbeit zwischen den Korallentieren und kleinen Algen, die in ihnen leben. Die Algen bekommen Nährstoffe und einen günstigen Lebensraum, die Korallen selbst werden von den Algen ernährt und können leicht ihr Kalkskelett ausbilden. Dadurch kommt es zum enormen Riffwachstum. Durch die Temperaturerhöhung wird diese Beziehung zerstört. Die Algen werden ausgeschieden und die Korallen sehen bleich aus. Nachfolgend sterbe sie häufig ab.
Welche Folgen hat das?
Viele Organismen leben in den Korallenriffen und sind von der Struktur abhängig. Die toten Riffe zerbröckeln und verlieren ihre Funktion. Die Menschen profitieren von ihrer Bedeutung für die Meeresfische. Die Korallenriffe sind aber auch für den Schutz der Küste wichtig. Die Küste wird nicht so schnell von Stürmen abgetragen. Flache Inseln wie die Malediven können zum Teil mit dem Meeresspiegelanstieg mitwachsen wenn die Korallen wachsen, weil dabei Sand in den Riffen gefangen wird. Sterben die Riffe gehen die Inseln unter.
Ich habe viel über die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko gehört. Wie konnte es zu so einer großen Katastrophe kommen?
Im Golf von Mexiko ist sehr viel Öl ausgetreten weil die Sicherheitsmaßnahmen ungenügend waren und nicht ausreichend kontrolliert wurden. Schnelle Notfallmaßnahmen haben nicht existiert, weil die Betreiber nicht mit einem Unfall gerechnet hatten und nicht wussten, wie der aussehen könnte. Die Firmen investieren oft zu wenig in den Schutz der Umwelt. Die Umwelt wird noch zu häufig als wertlos erachtet.
Wie kann man verhindern dass so etwas noch mal passiert?
Diejenigen, die solche Anlagen betreiben, müssen Notfallpläne entwickeln und müssen kontrolliert werden. Die Firmen, die für Schäden verantwortlich sind, müssen auch für die Folgen aufkommen. Dann rechnet es sich für die Firmen mehr in den Schutz und die Unfallverhütung zu investieren. Die Politik muss prüfen, ob alles was Unternehmen machen wollen, auch sinnvoll ist. Ölbohrungen in der Tiefsee stellen immer ein großes Risiko dar.
Welche Folgen hat die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko für das Meer und seine Bewohner?
Das Öl schwimmt eigentlich auf und treibt auf dem Wasser. Dabei verklebt es das Gefieder der Wasservögel und es wird an den Küsten angespült, wo es die Tiere am Strand schädigt. Damit man das Öl nicht so sieht, werden deshalb Chemikalien aufs Wasser gesprüht, die das Öl absinken lassen. Es ist dann aber trotzdem noch da und treibt durch den Ozean. Mit dem Öl kommen viele chemische Stoffe ins Wasser, die für die Lebewesen schädlich sind und die sich teilweise in der Nahrungskette anreichern. Auch die Menschen können dann Krank werden wenn sie die Meerestiere essen. Wissenschaftler haben die Tiefsee im Golf untersucht und viele kranke Tiefwasserkorallen gefunden.
In der Presse wird immer von gefährdeten Arten geredet. Ab wann gilt eine Art als gefährdet?
Dafür hat die International Union for the Conservation of Nature (IUCN) Kriterien festgelegt, nach denen Arten von „ausgestorben“ bis „nicht gefährdet“ eingestuft werden können. Gefährdet sind Arten, wenn sie ein hohes Risiko haben auszusterben, wenn es nur noch wenige Individuen sind oder wenn ihr Lebensraum stark zerstört wird. Darunter fallen nach Berechnungen 40 Prozent aller Arten, die betrachtet wurden.
Welche Folgen hat es, wenn so viele Arten aussterben?
Die Arten stehen untereinander in Beziehung, zum Teil als Nahrung oder als Fraßfeind, zum Teil auch, weil sie zum gegenseitigen Vorteil zusammenleben. Es gibt einzelne Arten, die sehr wichtig für das funktionieren von Ökosystemen sind. Bei deren Verschwinden kommt es häufig zu „Kaskadeneffekten“. Andere Arten werden wie bei einem Erdrutsch ebenfalls beeinflusst. Die Wissenschaft erkennt immer stärker, dass die Arten auch einen Wert für den Menschen haben. Die Funktion der Korallen als Küstenschutz ist da nur ein Beispiel.
Lea Tollrian, Klasse 8b, Schiller-Schule Bochum