Duisburg. . Jimi Hendrix am Klavier – so in etwa ist die Jazz-Pianistin Hiromi aus Japan zu beschreiben. Auf dem Traumzeitfestival in Duisburg hat sie ZeusPower-Reporter Fabian live erlebt.

Hiromi springt auf, beginnt von dem einen Bein auf das andere zu hüpfen, sie lacht, aus ihr fließt die Musik nur so heraus, ihre Augen sind weit aufgerissen und ihre Lippen formen Töne und versuchen dabei dem Tempo ihrer Finger auf den Tasten des Flügels zu folgen.

Fast ein wenig schüchtern

Es ist schwierig zu beschreiben, was diesen besonderen Charme Hiromis ausmacht. Vielleicht ist es genau diese Spielfreude, die den Zuhörer bereits nach wenigen Sekunden wissen lässt, dass Hiromi und ihr Instrument eine ganz besondere Beziehung verbindet. Vielleicht ist es aber auch diese besondere Besetzung, diese musikalische Ehe mit Bassist Anthony Jackson und Schlagzeuger Simon Phillips, die – jeder für sich ein echtes Erlebnis – sich zu einem wunderbaren Ganzen zusammenfügen, dass sich den unspektakulären Namen „The Trio Project“ gegeben hat. Vielleicht ist es aber auch vor allem Hiromis Virtuosität, die dem Zuschauer den Atem nimmt. Selten war Jazz so wild.

In manchen Momenten in der Duisburger Gebläsehalle fragt man sich, wo die Japanerin all das hernimmt. Hiromi Uehara ist eigentlich eine zierliche Frau, ihre Stimme ist unglaublich hoch und wenn sie ihre Bandmitglieder vorstellt, wirkt sie fast ein wenig schüchtern.

Eigentlich hatte sie den Weg der klassischen Pianistin eingeschlagen – in mancher Improvisation, in mancher Melodie kommen diese Wurzeln zum Vorschein. Aber mit gerade einmal 17 Jahren traf die Pianistin auf den großen Chick Corea und spielte mit ihm zusammen. Von nun an führte ihre musikalische Reise in die Welt des Jazz.

Gold-Status in Japan

Sie erreichte in Japan Gold-Status und ist mit ihrem Trio umjubelter Gast auf den großen Jazz-Festivals der Welt. Dieser Weg brachte sie auch zum Traumzeitfestival in den Landschaftspark Duisburg Nord. Und da steht sie nun auf der Bühne, inmitten einer komplett gefüllten Halle, die vor Industrieromantik nur so strotzt, verbeugt sich zu Beginn kurz und setzt sich dann an den Flügel.

Hätte Hiromi nicht ihre Haare frech nach oben gesteckt, würde wohl nichts an ihrem Äußeren auch nur andeuten, welches musikalische Feuerwerk in den nächsten 90 Minuten hier abgebrannt werden würde. Bereits nach dem ersten Stück fällt es schwer im Publikum ruhig sitzen zu bleiben; die Hände wollen die Rhythmen einfach mitschlagen.

Von jeglichem Zwang befreit

Eigentlich ist es unmöglich diese Musik zu beschreiben. Wenn man sich sonst gerne durch Genreeinordnungen behilft, scheint auch das hier kaum möglich. Ja, es ist Jazz. Vielleicht Jazz-Rock. Aber eigentlich werden diese Bezeichnungen keiner Musik gerecht. Hiromis Musik ist explosiv, rhythmisch ausgefeilt, plötzlich leise, effektvoll und dabei melodiös. Irgendwie also alles. Dabei ist die Pianistin ein musikalischer Wirbelwind. Vielleicht leistet sie für das Klavier das, was Jimi Hendrix für die E-Gitarre geleistet hat; die absolute Befreiung von jeglichem formalen Zwang, vorgetragen durch absolute Hingabe – und Verrücktheit.

Hiromi Uehara ist eine Verrückte, ohne Zweifel. Eine Verrückte, die ihr Publikum zum Verrücktsein einlädt und vielleicht deswegen so einen großen Reiz ausübt.

Und so dauert es nach dem letzten Stück der drei Musiker nur wenige Sekunden bis der gesamte Saal stehend applaudiert. Dem war der einzige unschöne Moment des Abends vorangegangen: Hiromi hatte in ihrer unschuldigen Stimme angekündigt, dass sie nun das letzte Stück spielen würden und das Konzert danach beendet sei. Es hätte ihr großen Spaß gemacht, hier zu Gast gewesen zu sein, hatte sie gesagt. Das war wohl etwas untertrieben.

Fabian Grieger, Bochum