Dinslaken/Huy. . Die belgischen Atomreaktoren Tihange und Doel stehen immer wieder wegen ihrer Störanfälligkeit in der Kritik. MC-Reporter Sven Böttcher aus Dinslaken erklärt die Situation.
Es klingt absurd, doch es wird wohl der einzige Weg sein, einer riesigen Katastrophe aus dem Weg zu gehen: In den zwei belgischen Atomkraftwerken Tihange und Doel muss das Kühlwasser vorgeheizt werden. Rund 1,8 Millionen Liter Wasser müssen für die Notkühlung nun bereitgehalten werden, damit es im Falle eines größeren Fehlers der Anlage nicht zu einer Riesenkatastrophe kommt.
Unter zehn Grad: So kalt ist das Wasser, welches üblicherweise für die Kühlung der Brennstäbe genutzt wird. Doch da sich Tausende kleiner Risse in den Reaktordruckbehältern der beiden AKW von Belgien befinden, würden diese den hohen Belastungen der starken thermischen Kräfte im Inneren der Behälter ausgesetzt werden. Sie würden durch den sogenannten thermischen Schock die Behältnisse beschädigen oder sogar zerstören. Dieser entsteht, wenn die Behälter schnell mit Mengen von kaltem Wasser gefüllt werden. Die Folgen wären mit denen von Fukushima im Jahr 2011 zu vergleichen – zuerst ein teilweiser oder völliger Kühlmittelverlust und letztendlich die Kernschmelze.
Atomaufsicht verschärfte ihre Anweisungen
Damit dies nicht geschieht, hat die Atomaufsicht schon im Jahr 2012 angeordnet, das Notkühlwasser auf 30 Grad vorzuheizen. Dies soll dazu führen, dass die Temperaturdifferenz zwischen den Druckbehältern und dem eingefüllten Wasser verringert wird und damit die Belastung für die vorgeschädigten Behälter sinkt.
Nach Informationen des WDR hat im Dezember vergangenen Jahres die belgische Atomaufsicht ihre Anweisungen sogar noch erheblich verschärft. In einem Bericht vor dem belgischen Parlament hat der Chef der Brüsseler Atomaufsichtsbehörde FANC angekündigt, man werde die Vorheiztemperatur zumindest für den Reaktor in Doel auf 45 Grad erhöhen.
Umweltministerin Hendricks bittet darum, die Reaktoren abzuschalten
Der Betreiber der Anlage, die Firma Electrabel, spricht allerdings von maximal 40 Grad, denn ab 50 Grad wäre das Wasser zu warm, um damit abgeschaltete Atomreaktoren zu kühlen. Mittlerweile gestehen Atomaufsicht und Betreiberfirma ein, dass es um die Beständigkeit der Reaktordruckbehälter in Doel und Tihange offenbar noch schlimmer bestellt ist, als bis lang öffentlich zugegeben.
Auch auf die bitte der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen, die Reaktoren Tihange-2 und Doel-3 abzuschalten, wird nicht eingegangen. Die belgische Atombehörde gibt sich „überrascht“: Man nehme den Wunsch der deutschen Umweltministerin zur Kenntnis. Die Anlage erfülle Internationale Sicherheitsstandards, erklärte die Behörde. Deshalb sei es keine Notwendigkeit, sie herunterzufahren.
Das AKW Tihange liegt rund 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, Doel rund 130 Kilometer. Besonders laut ist der Protest gegen die Anlagen in Nordrhein-Westfalen rund um Aachen. Kritiker haben vor allem Tihange-2 immer wieder als „Bröckelreaktor“ bezeichnet. Wie es nun mit der Anlage weiter geht ist fraglich …
Sven Böttcher, Klasse 8c, Ernst-Barlach-Gesamtschule, Dinslaken