Von Giggel-Gruppe bis Löwenlachen: Welche Methoden Therapeuten anwenden, um die Heilung von Patienten durch Heiterkeit voranzutreiben.
Sie lachen nicht bloß, nein, sie kichern, sie gackern und quieken, sie brüllen, wiehern und prusten. Sie klopfen sich auf ihre Schenkel, halten sich den Bauch, trampeln mit den Füßen, und immer wieder werden ihre Körper von Krämpfen geschüttelt. 16 Menschen veranstalten beim Lachtraining des Lachklubs München einen ohrenbetäubenden Lärm, eine Stunde lang. Was für Außenstehende befremdlich anmutet, hat für die Teilnehmer einen guten Grund: Sie lachen für ihre Gesundheit.
Dass Lachen gesund ist, ist nicht nur eine Phrase, sondern vielfach durch Untersuchungen und Experimente in der Gelotologie, der Lachforschung, belegt. Danach soll sich intensives Lachen positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken, Stresshormone abbauen, Verbrennungsprozesse fördern, das Immunsystem stärken, durch das vermehrte Einatmen wird mehr Sauerstoff transportiert, Herzschlag und Blutdruck sinken. „Wer lacht, baut Spannungen ab, mobilisiert Selbstheilungskräfte und fördert den Energiefluss im Körper“, sagt Psychoanalytiker und Autor Michael Titze („Die heilende Kraft des Lachens“, „Therapeutischer Humor“).
In den Kliniken gehört der Humor längst zum Therapiealltag: Ärzte empfehlen Witze, lustige Filme und Comics. Clowns in den Krankenzimmern sollen Kindern und älteren Patienten die Angst nehmen und den Schmerz vergessen machen. Auch in der positiven Psychotherapie hat der „heilsame Humor“ längst Schule gemacht.
Hemmungsloses Lachen trainiert das Zwerchfell
Lachen ist aber nicht gleich Lachen. Wie sich Heiterkeitsausbrüche auf die Gesundheit auswirken, hängt laut Lachforscher Titze stark von der Qualität des Lachens ab. Ein kurzes Kichern oder „Ha, ha, ha“ reiche nicht aus, um die positiven Effekte zu erreichen – egal, wie häufig es getan werde. Denn erst das hemmungslose Lachen produziere viele schmerzhemmende Endorphine und setze das Zwerchfell in Bewegung.
Titze beschreibt es als physiologisches Lachen: „Es muss intensiv sein und den ganzen Körper erfassen. Dabei müssen die Lachphasen lange anhalten, nicht nur 30 Sekunden, sondern über eine halbe oder dreiviertel Stunde – das ist ähnlich wie beim Joggen.“ Auf der Straße oder im Büro seien derartige Lachausbrüche allerdings schwer vorstellbar, wie er einräumt.
Und es ist ja auch nicht so einfach, in einer ernsthaften Welt mal eben so loszuprusten. Deshalb suchen sich immer mehr Menschen Hilfe, um ihre Mundwinkel nach oben zu befördern. Sogenanntes Lachyoga wird bundesweit in mehr als 150 Lachklubs (weltweit sind es über 6000) praktiziert, aber auch zunehmend in Unternehmen, Fitnesscentern, Yoga-Studios, Senioren-Treffs, Gefängnissen und Selbsthilfegruppen. Beim Lachyoga lernen die Teilnehmer, wie sie völlig grundlos lachen können. 1995 von dem indischen Arzt Madan Kataria entwickelt, basiert die Methode auf der Erkenntnis, dass der Körper nicht zwischen einem künstlichen und einem echten Lachen unterscheidet. „Fake it until you make it!“ (frei übersetzt: „Tu zuerst so, also ob du lachst, dann kommt das echte Lachen von selbst!“) lautet die Anweisung, um Menschen auf humorvolle Bahnen zu lenken. Deshalb sollen sie das Gelächter solange vortäuschen, bis es zu einem echten wird.
Bauch halten und „hohoho“ intonieren
„Unser Ziel ist es, dass man beim Lachen die Kontrolle verliert und das Denken ausschaltet“, sagt Cornelia Leisch vom Europäischen Berufsverband für Lachyoga und Humortraining. Dort sind Lachtherapeuten und lizenzierte Lachyoga-Trainer organisiert, die mit Heiterkeit heilen wollen, was sonst allzu verbissen daherkommt. Sie vermitteln Kenntnisse im „Nikolaus-Lachen“ (Bauch halten und tief „hohoho“ intonieren) oder im „Löwenlachen“ (Krallen ausfahren und ein möglichst dreckiges „hähähä“ anstimmen). Das wirkt im Prinzip so lächerlich, dass sich das spontane Lachen ganz von allein einstellt. Finale Heiterkeit entsteht beim „Lach-Stern“, zu dem sich die Teilnehmer im Kreis auf den Boden legen. Dort finden wahre Lachexplosionen statt, was wiederum ansteckend wirkt.
Auch Psychoanalytiker Titze ist von den Giggel-Gruppen überzeugt: „Vor allem Menschen mit depressiver Grundstimmung und Selbstzweifeln können sich durch gemeinsames Lachen ganz neu aufstellen“, sagt er. Wer sich gemeinsamen Lachnummern nicht anschließen will, kann sich den Spaß auch anders holen: Mit Lachmeditationen auf CD, Comedy-Veranstaltungen, Slapstick-Filmen, aber auch ein Grimassen-Ziehen beim Zähneputzen kann für erfrischende Erheiterung sorgen. „Man sollte gezielt nach Auslösern suchen, die einen zum nachhaltigen Lachen bringen“, rät Titze.
US-Amerikaner begründet die Lachforschung
Aber auch der alltägliche Humor hat durchaus gesundheitsfördernde Effekte, wenn auch indirekt. So kämen Menschen mit sonnigem Gemüt besser an, als diejenigen, die als Miesepeter durch die Welt laufen. „Lachen ist ein soziales Schmiermittel, es fördert Kontakte und Freundschaften und führt am Ende zu mehr Selbstzufriedenheit“, sagt Titze. Schon Psychoanalytiker Sigmund Freud sah 1905 im Witz eine Technik des Unbewussten zur Einsparung von Konflikten und zum Lustgewinn. In den Sechzigerjahren begründete der amerikanische Psychiater William Finley Frey Junior die Gelotologie, die Lachforschung. Der Auslöser: Frey hatte sich immer wieder eine Dick-und-Doof-Episode angesehen, die er liebte: Wie die beiden versuchen, ein Klavier hochzuschieben. Beim Lachen zapfte er sich regelmäßig Blut ab.
Das Ergebnis: Sein Lachen ließ die Zahl der sogenannten Killerzellen, die zu den weißen Blutkörperchen gehören und etwa Viruserkrankungen bekämpfen, signifikant ansteigen. Der Wissenschaftsjournalist Norman Cousins begann vor 40 Jahren, seine Wirbelsäulenarthritis selbst zu behandeln, indem er lustige Filme sah. Nach den Lachanfällen stellte er fest, dass er nach zehn Minuten Lachen am Stück schmerzfrei war, Cousins wurde gesund und schrieb das Buch „Der Arzt in uns selbst“. Weitere Wissenschaftler beobachteten später eine Vermehrung der Immunglobuline in Blut und Speichel. Allerdings fehlt bis heute der Nachweis, dass häufiges Lachen vor Infektionskrankheiten wie einer Erkältung schützt.
Mobbingopfer können Lachangst entwickeln
Lachen kann aber auch schaden, vor allem dem Gegenüber. Wer häufig Opfer von rücksichtslosem oder unangemessenem Lachen wurde oder als Kind etwa als Außenseiter ausgelacht und gemobbt werde, könne eine ausgeprägte Lachangst (Gelotophobie) entwickeln, sagt Titze. „Diese Menschen empfinden jegliches Lachen als eine Bedrohung.“
Gut haben es dagegen diejenigen, die viel und herzlich über sich selbst lachen können. Andere empfinden Schadenfreude als die größte Freude, gucken Castingshows und amüsieren sich über unfreiwillig komische Deppen. Das sei eine natürliche Reaktion und wirke in einer Welt, in der wir permanent zueinander in Konkurrenz stehen, als sozialer Ausgleich, sagt Titze: „Wir lachen immer dann, wenn wir das Gefühl haben, wir sind besser als andere.“ Für Kataria, den Begründer des Yogalachens, ist der Auslöser Nebensache: „Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind, sondern sind glücklich, weil wir lachen.“
Im Prinzip könnte man sich zunächst also auch erst einmal die Mundwinkel hochklammern. Kein Witz.