Berlin. Soziale Netzwerke erhöhen den Druck auf junge Menschen, stets gut auszusehen. Dieser Druck kann mitunter einschneidende Folgen haben.
Laut mehrerer Umfragen lassen sich zahlreiche Patienten vor allem deshalb operieren, weil sie auf Instagram, Facebook und Snapchat gut aussehen wollen. Andere wiederum wollen so aussehen, wie sich ihre Idole in den sozialen Netzwerken präsentieren. Ein Umstand, der vor allem junge Menschen betrifft.
Diesen Eindruck erweckt zumindest eine Blitzumfrage unter Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC), die unserer Redaktion vorliegt. Darin wurde gefragt: „Haben Trends, die in Massenmedien oder sozialen Medien behandelt werden, einen Einfluss auf die Nachfrage in Ihrer Praxis/Klinik”. 27 Prozent der Ärzte beantworteten die Frage mit Ja, weitere 53 Prozent mit „teil/tels“. Nur 20 Prozent der Chirurgen sahen keinen Einfluss auf die Nachfrage in ihrer Praxis.
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US-Patienten wollen auf Instagram und Snapchat gut aussehen
Eine Umfrage der „American Academy of Facial Plastic and Reconstructive Surgery“, einem Verband von US-Chirurgen, brachte ähnliche Ergebnisse zutage. 42 Prozent der Mitglieder gab an, im Jahr 2016 Patienten behandelt zu haben, die auf Bildern in sozialen Netzwerken besser aussehen wollten.
Doch woher kommt dieser Drang, sich notfalls mithilfe von Schönheitsoperationen besser auf Instagram und bei Snapchat präsentieren zu können? Bert Theodor te Wildt arbeitet als Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Bochumer LWL-Klinik für Psychosomatische Medizin und befasst sich unter anderem mit dieser Frage.
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, dass vor allem die Millennials (Jahrgänge 1980-1999) ihr Leben sowohl digital wie auch analog verstehen.
Belohnungssystem der Netzwerke löst Druck aus
Die Motivation zur eigenen Selbstdarstellung ergebe sich auch aus dem System der Netzwerke, die mit Likes und Kommentaren als eine Art Belohnungssystem arbeiten. Unter dem Druck auch digital gut performen zu wollen, folgten Menschen auch ästhetischen Vorbildern und Verhaltensmustern, die Außenstehende schwer nachvollziehen können. „Irgendwann ist nicht mehr klar: Was ist noch authentisch? Was ist gefühlt, echt, lebendig?“, so te Wildt.
Genau auf diesen Punkt verweist auch Torsten Kantelhardt, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Präsident der DGÄPC. „Man muss beim Patienten abklopfen, ob er nur einem Hype oder einer Mode folgt. Es muss klar sein, dass der Patient einen Eingriff wirklich will und ihn nicht nach wenigen Wochen bereut“, so Kantelhardt im Gespräch mit unserer Redaktion. Zwar nutzten auch viele seiner Kollegen selbst soziale Netzwerke zur Eigenwerbung, doch wenn es um Aufklärung geht, ersetze nichts das persönliche Gespräch.
Wenn der „Selfie-Hals“ zum vermeintlichen Problem wird
In diesen Gesprächen werde deutlich, dass die Technik hinter sozialen Netzwerken auch Fragen der plastischen und ästhetischen Chirurgie berührt. „Es gibt durchaus eine Art Trend wegen des so genannten ‘Selfie-Halses’“, so Kantelhardt. Hintergrund sei, dass viele Nutzer bei Selfie-Aufnahmen oder Video-Chats nach unten schauen und so oft ein Doppelkinn oder Falten am Hals zu sehen sind. Mit Schönheitsoperationen versuchten Patienten diesem Effekt entgegenzuwirken. Solche Anfragen seien jedoch aus Sicht des Mediziners die absolute Ausnahme – so wie auch Patienten, die konkrete Schnappschüsse eines Stars als Blaupause mit zur Beratung bringen.
Was Prominente aber zum Thema Schönheits-Operationen selbst mitteilten, sei heutzutage wesentlich präsenter als in der Zeit vor Facebook und anderen Netzwerken. Als Beispiel nennt Kantelhardt die Berichte über die Moderatorin Sophia Thomalla, die sich zuletzt einer Brustverkleinerung unterzogen hatte. „Die Akzeptanz gegenüber plastischer Chirurgie ist größer geworden, weil sich Menschen dazu öffentlich bekennen – eben auch über soziale Medien“, so die Einschätzung von Torsten Kantelhardt.