Witten. In der Debatte um den SPD-Kanzlerkandidaten verhalten sich Wittener Genossen eher vorsichtig. Jedenfalls ruft kaum einer laut nach Pistorius.

Die Debatte ist voll entbrannt, wen die SPD als Kanzlerkandidaten ins Rennen schickt. An der Wittener (Funktionärs-) Basis mögen sich aktuell die wenigsten öffentlich gegen Kanzler Olaf Scholz positionieren, wie eine Umfrage der Redaktion zeigt.

„Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, jetzt den Kandidaten zu wechseln“, sagt SPD-Fraktionsvize Christoph Malz. Das heißt, der 56-Jährige will an Bundeskanzler Olaf Scholz festhalten. Malz gibt zu bedenken, dass ein anderer Kandidat als Scholz für die nächste Wahl in vier Jahren verbrannt wäre. Denn ob Scholz oder Pistorius - mit einem Sieg der SPD rechnet der Bommeraner Genosse bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar nicht. Ein Wechsel zu Pistorius „mag den ein oder anderen Prozentpunkt bringen. Aber das wird nicht reichen, um wieder den Kanzler zu stellen. Deshalb verstehe ich die ganze Diskussion nicht“.

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Wie andere, die in der Wittener SPD etwas zu sagen haben, fordert Malz nun ein klares Votum der Parteiführung in Berlin. Dass es am Ende aber doch noch auf Pistorius hinauslaufen könnte, will der Schulleiter gar nicht ausschließen. „Mein Gefühl ist, dass Scholz von sich aus die Reißleine zieht, wenn der Druck zu groß wird.“

Obwohl er nicht an einen Wahlsieg seiner Partei glaubt, will Christoph Malz im bevorstehenden Kurz-Wahlkampf vor Ort um jede Stimme kämpfen. „Wir müssen alles daran setzen, dass wir wieder den Wahlkreis holen“, sagt er. Ohne die FDP als „Klotz am Bein“ hätten viele jetzt auch wieder Lust auf Wahlkampf, glaubt der stellvertretende Wittener Fraktionsvorsitzende.

Wittens neuer SPD-Vize Bora Özkan ist einer der wenigen aus der Parteispitze, die sich öffentlich für einen anderen Kandidaten als Olaf Scholz aussprechen.
Wittens neuer SPD-Vize Bora Özkan ist einer der wenigen aus der Parteispitze, die sich öffentlich für einen anderen Kandidaten als Olaf Scholz aussprechen. © Markus van Offern | Markus van Offern

Zu den wenigen, die sich öffentlich gegen Olaf Scholz als Kanzlerkandidat aussprechen, zählt der neue Wittener SPD-Stadtverbandsvize Bora Özkan. „Scholz würde Größe zeigen, wenn er jetzt den Biden macht“, sagt der 42-Jährige. Im Übrigen halte er das Lager pro Scholz beziehungsweise Pistorius in Witten für „ausgewogen“.

Özkan verweist auf die hohen Beliebtheitswerte von Boris Pistorius, räumt aber ein, dass dessen Äußerung von der „Kriegstüchtigkeit“ Deutschlands in der Partei umstritten ist. Die ehemalige Wittener Stadtverbandsvorsitzende und langjährige Bundestagsabgeordnete Christel Humme hielte es dagegen für falsch, kurzfristig einen neuen Kandidaten aufzustellen.

Christel Humme aus Witten: „Kandidatenmontage hilft nur der anderen Partei“

„Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Unterschiede zwischen der SPD und CDU zu verdeutlichen. Eine Kandidatendemontage hilft nur der anderen Partei“, sagt Humme. Dies verstelle den Blick auf das, „was man mit Olaf Scholz in der Krise erfolgreich gemeistert hat“. Die 75-Jährige erinnert an den Ukraine-Krieg oder die Energiepreise. „Beides ist bei Olaf richtig aufgehoben.“ Er sei kein Kriegstreiber, sondern besonnen. An einen „Putsch“ der NRW-SPD glaubt die Ortsvereinsvize aus Annen übrigens nicht. „Ach Gott, diese paar Abgeordnete.“

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Der amtierende SPD-Parteichef und heimische Bundestagsabgeordnete Axel Echeverria vermeidet ein klares Bekenntnis für einen der beiden möglichen Kanzlerkandidaten. Er sagt: „Solange Olaf Scholz seine Ambitionen aufrechterhält, stellt sich die Frage nach einem Kandidaten Pistorius nicht. Alles weitere werden wie üblich die Parteigremien entscheiden.“

Im Übrigen wünsche er sich, dass ebenso intensiv wie jetzt über das Personal über Inhalte diskutiert werde, „etwa faire Löhne, stabile Renten oder die Absicherung von Arbeitsplätzen“. Aber natürlich könne er das große Interesse daran verstehen, so Echeverria, mit wem die SPD in den Wahlkampf zieht. „Hier gibt es einen ganzen Pool von fähigen Persönlichkeiten“, findet der 44-Jährige. Dazu zählten ebenso Bundeskanzler Scholz wie auch Verteidigungsminister Pistorius. In wenigen Tagen dürften die Wittener Genossinnen und Genossen wissen, für wen sie Plakate kleben müssen.