Witten. Der Gesamt-Pfarrgemeinderat der Katholiken in Witten ist zurückgetreten. Das ist beispiellos im Bistum Paderborn. Ursache: ein ungelöster Konflikt.

Neun von zehn Mitgliedern des Gesamt-Pfarrgemeinderats im Pastoralen Raum Witten sind jetzt zurückgetreten. Ursache für die ungewöhnliche Entscheidung sei ein jahrelang schwelender, „nicht-auflösbarer Konflikt“ mit dem verbliebenen Mitglied, heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung. Die Situation sei beispiellos im Erzbistum Paderborn. Stein des Anstoßes ist der anstehende Umbruchsprozess, mit dem sich eine Gruppe streng gläubiger Christen nicht abfinden will.

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Schon seit fast drei Jahren versuche man sich zu verständigen. Doch die schweren persönlichen Differenzen hätten trotz mehrfacher Schlichtungsversuche nicht gelöst werden können. „Die Arbeitssituation im Gesamt-Pfarrgemeinderat ist in den vergangenen Jahren zunehmend untragbar geworden. Deshalb wurde für das betreffende Mitglied ein kirchenrechtliches Ausschlussverfahren in Erwägung gezogen“, erläutert Dechant Dieter Aufenanger als Leiter des Dekanates Hagen-Witten die Situation.

Dechant: Bittere Erfahrung für das ganze Dekanat

Die dafür vorgeschriebene ordentliche Anhörung des Mitgliedes habe statt zu einer Klärung jedoch zur weiteren Eskalation geführt. Aufgrund dessen haben sich die anderen Mitglieder des Gesamt-Pfarrgemeinderates zum gemeinsamen Rücktritt entschlossen. „Das ist eine sehr bittere Erfahrung für unser ganzes Dekanat, vor allem, weil im Pastoralen Raum Witten ein großer Wille da ist, das Gemeindeleben gemeinsam zu gestalten“, betont der auch für Konfliktmanagement zuständige Dechant.

Pfarrer Friedrich Barkey bei der Fronleichnams-Messe im Voß‘schen Garten im Mai 2024 in Witten.
Pfarrer Friedrich Barkey bei der Fronleichnams-Messe im Voß‘schen Garten im Mai 2024 in Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Ziel sei immer eine Auseinandersetzung auf sachlicher Ebene gewesen, schildert Friedrich Barkey als Leitender Pfarrer des Pastoralen Raumes die Arbeitsatmosphäre im Pfarrgemeinderat: „Wir sind zutiefst überzeugt, dass auch mit konträren Haltungen konstruktive Kompromisse erreicht werden können.“ Das sei in diesem Fall bedauerlicherweise nicht möglich gewesen.

Das Gremium werde nun aufgelöst, wie Gemeindereferent Dominik Mutschler bestätigt. Bis zu Neuwahlen im November 2025 wird es also keinen Gesamt-Pfarrgemeinderat geben - der eigentlich das wichtigste Gremium für inhaltliche Fragen und Entwicklungen in der Kirche ist. Mutschler: „Ein Stück Arbeit bleibt liegen.“

Waldemar Klimek Witten
Waldemar Klimek engagiert sich in Witten für eine Kirche, wie er sie seit seiner Kindheit kennt. © privat | Privat

Während die Verantwortlichen des Pastoralen Raums nicht näher auf den Konflikt eingehen und offen lassen, um wen es sich handelt, geht der Betroffene in die Offensive. Waldemar Klimek (51) ist die treibende Kraft der konservativen Christen in Witten, die angesichts der bevorstehenden Veränderungen um ihre Traditionen bangen. Sie befürchten etwa, dass es bald nur noch Wortgottesdienste statt der Heiligen Messen geben soll. Das geht ihm und den anderen tief Gläubigen gegen den Strich. Klimek bezeichnet sich selbst als „wahren Christen“ und die Vorgänge in Witten als „ungeheuerlich“: „Die katholische Kirche schadet sich damit selbst.“

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Als gewähltes Mitglied des Gesamt-Pfarrgemeinderats habe er das Recht, Kritik zu üben und sich für jene, die sich an ihn wenden, einzusetzen. Knapp 300 Katholiken stehen hinter Klimek, hatten dies per Unterschrift bezeugt. Nun wurde ihm nahegelegt, zurückzutreten, weil er störe. Doch Waldemar Klimek sieht sich im Recht, erhebt seinerseits schwere Vorwürfe.

Einer davon: „Der Pfarrer mag keinen Widerspruch.“ Er sei bei wichtigen Sitzungen oder hohen Feiertagen nicht in der Gemeinde anwesend. Zudem gebe es etwa falsche Eintragungen in Sitzungsprotokollen, die Klimek betreffen. Man habe auch nicht versucht, mit ihm zu sprechen, um zu schlichten: „Ich kenne den Dechanten nicht.“ Nicht zuletzt seien Briefe ans Bistum Paderborn unbeantwortet geblieben. „Man hoffte wohl, dass sich das Problem in Luft auflöst.“

Die Fronten, sie bleiben verhärtet. Waldmar Klimek wünscht sich, die ihm nahestehenden Christen nicht im Stich lassen zu müssen. „Schließlich habe ich ja nichts verbrochen.“ Doch ihr Engagement für die Gemeinde hat seine gesamte Familie inzwischen eingestellt.

Der Pastorale Raum Witten

2019 schlossen sich die sieben katholischen Wittener Gemeinden zum „Pastoralen Raum“ zusammen. Dazu zählen St. Joseph, St. Maximilian Kolbe, St. Marien, St. Franziskus, St. Pius, Herz Jesu und St. Vinzenz von Paul. Sie gehören dem Bistum Paderborn an, Herbede zählt zum Bistum Essen.

Zehn gewählte Vertreter dieser Gemeinden bilden den Gesamt-Pfarrgemeinderat, ein ehrenamtlich tätiges Gremium. Dieser wird nun aufgelöst, da neun Mitglieder geschlossen zurückgetreten sind. Jedes einzelne Mitglied hat in Schriftform seinen Rücktritt erklärt. Diese Erklärungen wurden mit einem gemeinsamen Brief an den Paderborner Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz geschickt.

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