Witten. Die letzten beiden Aktiven des Wittener Vereins beenden ihr Engagement. Denn es lief nicht mehr. Eine Abrechnung, nicht nur mit der Stadt Witten.
Sie haben viele tolle Aktionen organisiert. Doch letztlich hatte all das nicht den gewünschten nachhaltigen Erfolg. Deshalb werfen die Mitglieder des „Kreativquartiers Annen“ nach gut sechs Jahren das Handtuch. Ohnehin waren zum Schluss nur noch Birgit Wewers und Vivien Knoth die treibenden Kräfte des Vereins, der einen Bereich von Wittens größtem Stadtteil zum Kiez aufhübschen wollte. „Wir sind traurig, aber nicht frustiert“, so Knoths Fazit.
In den letzten Monaten sei es nur noch anstrengend gewesen, sagen die beiden Künstlerinnen, die viel Zeit in ihr ehrenamtliches Engagement gesteckt haben. „Uns sind zunehmend die Menschen weggelaufen.“ Vor allem das Müllproblem im Viertel rund um Bebel- und Geschwister-Scholl-Straße habe da eine entscheidende Rolle gespielt.
Kippen, Hundehaufen: Anwohner und Geschäftsleute seien frustiert gewesen, weil sich trotz großen Engagements nicht wirklich etwas gebessert habe. „Und den Vereinsmitgliedern ist auf die Nerven gegangen, dass ich immer wieder gedrängt habe, mehr darauf zu achten“, sagt Vivien Knoth. Sie selbst war mit Birgit Wewers mindestens drei Mal pro Woche unterwegs, „um den Müll wegzuschaufeln“.
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Ganz so schlimm sieht es an diesem sonnigen Dienstagmittag nicht aus auf der Bebelstraße. Viel Laub liegt herum, ein paar Zigarettenschachteln. Eine Mülltüte steht neben einem Abfalleimer. Zwei Herren vom Ordnungsamt kontrollieren, ob Parkscheiben in den Autos liegen und die erlaubte Stunde Parkdauer nicht etwa überschritten wurde - ein weiterer Dorn im Auge der beiden Frauen.
Sie kritisieren die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Stadt, wenn es etwa um längeres Parken ging. „Die Zeit auf zwei Stunden zu verlängern, wäre doch ein Leichtes gewesen“, so Knoth. Auf den Parkplatz direkt vor dem Café Velcome dagegen würden sie gerne verzichten - zu gefährlich, wenn Gäste draußen sitzen. Doch während auf der Annenstraße Parkraum zugunsten der Außengastronomie wegfiel, blieb im Quartier alles beim Alten. „Wir haben etliche Mails geschrieben, haben aber auf Granit gebissen.“ Wie so oft.
Auch beim Thema Müll sei die Stadt wenig hilfsbereit gewesen, habe stets nur auf den Mängelmelder verwiesen. Ende 2023 haben sich Knoth und Wewers direkt ans Bürgermeisterbüro gewandt mit der Bitte um Unterstützung. „Was uns da offeriert wurde, hatten wir alles schon durch.“ Dauerhafte Hilfe: nicht in Sicht.
Wie oft haben sie gehört, dass es toll sei, was sie machen, dass es aber besser wäre, sich in der Innenstadt zu engagieren. Dabei haben sie das Kreativquartier nie als Konkurrenz zum Wiesenviertel begriffen. Sie haben versucht, sich zu vernetzen - mit Uni, Stadt, Unikat-Club und Kulturforum. „Aber nie ist einer zu uns gekommen.“ Lediglich ein paar Politiker hätten hin und wieder vorbeigeschaut. Es gab ein lobendes „Weiter so“, aber sonst nur leere Versprechungen. „Einziger Unterstützer war Pfarrer Claus Humbert.“ Doch er verstarb im Dezember 2023.
Klar, sie haben vieles auf die Beine gestellt, haben bei ihren niederschwelligen Aktionen unterschiedlichste Menschen zusammengebracht - vom Professor bis zum Obdachlosen. Highlights waren die Kunstlichterfeste immer am letzten Freitag im November, die Kirschblütenfeste, der kulturelle Quartiersspaziergang „Runde um den Block“ oder die Verschönerung des Rheinischen Esels.
„Doch wir wollten nicht nur Projekte, die zeitlich begrenzt sind, sondern dauerhaft nachwirken.“ Zuletzt haben sie sogar knapp 7000 Euro bereits bewilligte Fördergelder fürs diesjährige Kunstlichterfest zurückgegeben. Knoth: „Unsere Kooperationspartner sind abgesprungen.“
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Auch Birgit Wewers ist schon auf Distanz gegangen und mit ihrem Atelier, das sich vorher neben der Polizeiwache befand, in die alte Post an der Friedrich-Ebert-Straße gezogen. Nur um die Ecke, „aber raus aus dem Quartier“. Grund war eine deftige Mieterhöhung.
Aufgelöst haben sie den Verein nicht. Er wird einen anderen Namen, eine neue Satzung, einen neuen Vorstand bekommen - und nicht auf Annen konzentriert sein. Denn Knoth und Wewers haben wieder eine Vision: Diesmal wollen sie ihren eigenen Schwerpunkt in den Mittelpunkt rücken - die Kunst. Der Neustart sei im nächsten Jahr geplant. Mehr verraten sie noch nicht.
Verein bestand über sechs Jahre
Den Grundstein fürs Kreativquartier Annen legte Künstler Jonas Heinevetter schon früher mit seiner Arbeit in der Galerie Himmelstropfen an der Geschwister-Scholl-Straße. 2017 fand dann das erste Kunstlichterfest im Viertel statt, 2018 wurde der Verein gegründet.
Anfangs engagierten sich vor allem viele Künstler im Verein, später auch Anwohner und Geschäftsleute. „In den besten Zeiten waren wir sieben bis zehn Aktive und hatten etliche Fördermitglieder“, erinnert sich die ehemalige Vorsitzende Vivien Knoth. Geblieben sind sie und Birgit Wewers, die den Verein nun auf eine andere, künstlerische Spur bringen wollen.
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