Witten. Zum bundesweiten „Autofreien Tag“ am Freitag werden in Witten wohl nur wenige Pendler ihr Fahrzeug stehen lassen. Woran das liegt.
Das Auto stehen lassen und auf Bus und Bahn umsteigen? Für viele kommt das nicht in Frage. Am 22. September, dem bundesweiten „autofreien Tag“, sind auch in Witten die Menschen dazu aufgerufen, zumindest für einen Tag aufs Auto zu verzichten. Unter dem Motto „In die Stadt – ohne mein Auto!“ wird bereits seit dem Jahre 2000 jährlich am 22. September der „Autofreie Tag „in rund 900 europäischen Städten und Wirtschaftszentren begangen.
NRW und vor allem das Revier sind Pendlerhochburg Nummer eins in Deutschland. Auch Witten bildet da keine Ausnahme. Nach den jüngsten Statistikdaten des „Pendleratlas NRW“ gab es 2021 in der Ruhrstadt fast 71.000 tägliche Pendlerbewegungen. Davon sind 26.600 Menschen zum Arbeiten aus Witten in andere Städte gefahren. 2013 – um einmal einen länger zurückliegenden Zeitraum zu vergleichen – lag die Zahl noch unter 17.000.
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Mehr Menschen pendeln aus der Stadt hinaus als hinein. „Nur“ 23.000 zog es aus anderen Städten nach Witten, um hier ihr Geld zu verdienen. Am niedrigsten ist die Zahl der Einwohner, die ihren Arbeitsplatz direkt in Witten haben, also nur innerörtlich pendeln: Das sind 21.000.
Facebook-Umfrage: Vielen dauern Bus und Bahn zu lang
Eine Umfrage unter unseren Facebook-Nutzern zeichnet ein recht eindeutiges Bild. Der Großteil kann sich nicht vorstellen, für die täglichen Strecken aufs eigene Auto zu verzichten – auch nicht für einen Tag. So schreibt etwa Andreas Fornefeld: „Ich fahre 140 km am Tag. Mit Bus und Bahn sind das 2,5 Stunden hin und 2,5 Stunden zurück, wie soll das funktionieren?“ Ähnlich sehen das viele weitere Kommentatoren.
So schildert etwa Dustin Helmus, der täglich 60 Kilometer mit dem Auto zurücklegt, von seinen Erfahrungen. Während es das 9-Euro-Ticket gab, sei er drei Monate lang „komplett mit den Öffentlichen gefahren“. „Morgens war es dann statt 5.30 Uhr aus dem Haus und 6 Uhr auf der Arbeit 4.40 Uhr aus dem Haus und 6.20 Uhr auf der Arbeit. Früh auf der Arbeit zu sein, ist nur mit großen Umständen möglich. Zurück statt 30 bis 45 Minuten mit dem Auto 1 Stunde 20 Minuten mit dem Zug, jede fünfte Heimfahrt hatte sehr lange Verspätung oder kam nicht. Der Wille ist da, nur der Preis (Lebenszeit) ist zu groß.“
„Ich bleibe meinem Stinkemobil“
Auch Linda Bürgers verweist auf den Zeitverlust durch den ÖPNV. Die Wittenerin legt 70 Kilometer am Tag zurück. „Und sicherlich fahre ich nicht mit den Öffis. Die kosten mich drei Stunden am Tag und ganz viel Puls...ich bleib bei meinem Stinkemobil.“
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So sieht es auch Christian Franke. Er fährt zirka 20 km am Tag und schreibt: „Ohne Auto würde ich ja nicht zur Arbeit kommen.“ Wenn es sich anbiete, nutze er auch mal den Bus. Der Nahverkehr ist für ihn aber höchstens eine zusätzliche Möglichkeit in manchen Situationen. Er könne das eigene Auto aber „nie“ ersetzen. „Mit dem Auto ist man flexibler, unabhängig und frei. Und man fühlt sich zusätzlich deutlich wohler“, findet Franke.
Letzter Vorstoß für autofreien Tag in der Innenstadt 2019
In Witten gab es – unabhängig vom Aktionstag – nach Angaben der Stadt 2016 zum letzten Mal eine autofreie Zone in der Innenstadt, anlässlich des Weltkindertages. Auch am vergangenen Sonntag (17.09.) war ein Teil der Ruhrstraße für die Feier gesperrt – so wie es ab 2000 fast jedes Jahr zu diesem Anlass üblich war.
Einen weiteren Vorstoß, die Innenstadt zumindest an einem Tag tatsächlich autofrei zu machen, gab es zuletzt 2019. Ein Bündnis rund um die studentische Initiative „oikos“ hatte mit 800 Unterstützer-Unterschriften einen Bürgerantrag gestellt, der Rat stimmte dem Vorhaben zu. Zeitgleich mit den Feiern zum Weltkindertag am 22. September, für den ohnehin Teile der Ruhrstraße gesperrt wurden, sollten auch das Wiesen-, Johannis- und Augustaviertel an diesem Tag tabu für den motorisierten Verkehr sein.
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Letztendlich scheiterte das Vorhaben am fehlenden Sicherheitskonzept. Zwischen dem Okay des Rates und der Veranstaltung lagen nur rund zwei Monate – zu kurz, um mit allen Beteiligten wie etwa der Feuerwehr ein solches Konzept auf die Beine stellen zu können. Die Verwaltung zog die Notbremse. Das Organisationsteam um Fahrradbotschafter Andreas Müller wollte den Aktionstag um ein Jahr verschieben – dann kam Corona. Einen erneuten Vorstoß gibt es bislang nicht.
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Mobilitätskonzept sieht auch autoärmere Innenstadt vor
Das schon lange angekündigte Mobilitätskonzept für die Innenstadt will die Stadt übrigens Ende dieses Jahres vorstellen. In der bereits abgeschlossenen Online-Beteiligung seien Anmerkungen und Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern gekommen, die sich weniger fahrende und parkende Autos wünschten. Dieser Aspekt soll deshalb auch in den entsprechenden Diskussionen thematisiert werden. Das Ergebnis dieser Diskussion sei natürlich offen, betont die Stadt.
Auch das mit dem Konzept beauftragte Aachener Planungsbüro BSV hat bereits Ideen entwickelt, um den Autoverkehr in der City deutlich zu verringern. Nach Ansicht der Planer sollte die Ruhrstraße zwischen Ost- und Bonhoefferstraße für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. Ausgenommen wären Busse und Radfahrer. Quasi parallel dazu könnte die Lutherstraße zu einer Fahrradstraße werden.
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