Witten. Tierarztkosten sind sprunghaft gestiegen. Viele Halter wissen nicht mehr ein noch aus. Jetzt stehen Wittens Tierschützer kräftig unter Druck.
Erst vor ein paar Tagen suchte wieder eine ältere Frau das Wittener Tierheim auf, um schweren Herzens ihre Katze abzugeben. Sie könne die Tierarztkosten nicht mehr zahlen, gab sie an. Die Senioren ist beileibe kein Einzelfall.
Seit dem vergangenen November gilt für Tierarztpraxen eine neue Gebührenordnung. Im Schnitt sind von einem Tag auf den anderen die Kosten um 20 bis 25 Prozent gestiegen. Und seither wächst auch die Zahl der Leute, die sich von Minka, Rex oder dem süßen Hamster Bobby trennen wollen. Eine Entscheidung, die sich die meisten nicht leicht machen. „Wir platzen inzwischen aus allen Nähten“, sagt Heimleiterin Kirsten Simon. Mit insgesamt 118 Tieren komme das Haus an seine Grenzen.
Vor allem alte und kranke Hunde landen jetzt im Tierheim
„Manche Halter geben ganz offen zu, dass ihnen die Ausgaben zu viel werden“, erläutert die Leiterin. Vor kurzem war es beispielsweise ein Pärchen, das seine Katze mitbrachte. OP, Behandlung und Medikamente sollten 1500 Euro kosten, „die jungen Leute waren aber nicht bereit das zu zahlen“. Folglich habe das Tierheim den Stubentiger aufgenommen, wobei sich später herausstellen sollte, dass die Behandlung doch nicht so teuer daherkam. „Aber die Besitzer hatten halt die Sorge, dass ihnen die Ausgaben über den Kopf wachsen“, betont Simon.
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Längst nicht immer sprechen die Halter das Thema überhaupt an. Aber erfahrene Tierpfleger wie das Team um Kirsten Simon wissen natürlich, dass es seine Gründe hat, wenn nun vermehrt ältere Tiere bei ihnen landen. Mit zunehmenden Jahren werden die geliebten Vierbeiner nun mal krank, man muss häufiger mit ihnen zum Arzt und somit wird die Haushaltskasse noch stärker strapaziert. „Viele Menschen kämpfen ohnehin schon mit den auf breiter Front gestiegenen Preisen.“
Wie sehr der Kostendruck doch so manche Tierhalter belastet, zeigt sich für Kirsten Simon auch noch an einer anderen Entwicklung: Waren es früher meist Besitzer aus Witten und naher Umgebung, die sich an der Wetterstraße meldeten, „erreichen uns inzwischen auch Anrufe aus dem Rheinland, dem Sauerland oder von der Grenze zu den Niederlanden.“ Das Tierheim Witten verstehe sich aber in erster Linie als Ansprechpartner für heimische Bevölkerung, betont die Leiterin, und wolle eben die hiesigen Haustiere aufnehmen.
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Auch das Tierheim kämpft mit gestiegenen Veterinärkosten
Höhe der Vermittlungsgebühren
Als Vermittlungsgebühr nimmt das Wittener Tierheim für eine Katze rund 160 Euro. Hunde kosten etwa zwischen 350 und 450 Euro.Die Einrichtung hat zudem Verträge mit mehreren Städten (Wetter, Breckerfeld, Herdecke, Hattingen, Wuppertal und Sprockhövel) deren Fundtiere oder sichergestellten Haustiere aufzunehmen. Dieser Dienst wird allerdings mit den Städten gesondert abgerechnet.
Den Kampf mit den höheren Tierarztkosten muss das Haus allerdings auch selbst führen. Das werde immer mehr zu einer Belastung. „Bislang haben wir es allerdings immer noch geschafft“, betont die Leiterin. Zu den Einnahmequellen gehören die Vermittlungsgebühren, wenn Hund, Katze & Co. vom Tierheim zu einem neuen Besitzer wechseln. „Wir haben dann in aller Regel aber auch vorher schon erhebliche Kosten gehabt, beispielsweise bei einer Katze für Kastration und Impfung.“ Darüber hinaus nimmt die Einrichtung an der Wetterstraße auch Geld von den Leuten, die ihr Tier abgeben. „Da haben wir aber immer einen Ermessensspielraum und achten auf die finanzielle Situation der Betroffenen.“ Um über die Runden zu kommen, ist das Tierheim aber auch über Spenden froh, die reinkommen.
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Apropos Spenden: Beim Tierschutzverein Arche Noah gehen vermehrt Anrufe von Leuten ein, die genau darum bitten. „Die Halter geben ganz offen zu, dass sie nicht mehr wissen, wie sie die Rechnung für den Veterinär bezahlen solle“, schildert Tierpfleger Carsten Verhoeven die sich verschärfende Entwicklung. Pro Monat erreichen den Verein mittlerweile zwei bis drei Anfragen - aus Witten und auch der weiteren Umgebung. Solche Wünsche könne ein Verein wie die Arche aber nun mal nicht erfüllen. Er ist zuständig für Fundtiere aus Witten und „wir stellen fest, dass unter den ausgesetzten Tieren in vermehrter Zahl Nager sind“. Auch da stelle sich die Frage, ob die Besitzer die gestiegenen Kosten für Medikamente, Impfungen und weitere Behandlungen nicht mehr zahlen können, so Verhoeven.
Tierheimleiterin Kirsten Simon empfiehlt Haltern angesichts der Kostensteigerung, den Abschluss einer Haustierversicherung zu prüfen. Gerade wenn Tiere häufiger krank sind, könne sich ein solcher Vertrag rechnen.
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