Witten.. Mit einem eindrucksvollen Demonstrationszug haben rund 750 Menschen am Samstag gezeigt, dass sie Flüchtlinge in Witten willkommen heißen.

Witten steht auf. Ein starkes Zeichen der Solidarität mit Flüchtlingen haben rund 750 Menschen bei einer Demonstration am Samstag gesetzt. Damit reagierten sie innerhalb von zwei Tagen auf den Brandanschlag auf das Gästehaus in Bommerholz.

„Refugees welcome – Flüchtlinge willkommen!“ Das ist die Botschaft dieses Protestzuges, der sich mittags um 12 Uhr im Regen am Bahnhof bildet, um sich dann durch die Innenstadt zur Jahnhalle zu bewegen. Mütter, Väter, Kinder, Opas, Omas, ganze Familien, Autonome, Politiker, Antifaschisten und viele andere gehen mit. Einige tragen Transparente, andere selbst gemalte Pappschilder. Eines davon reckt ein Kinder auf Papas Schultern in die Höhe: „Flüchtlinge willkommen!“ Es darf auch witzig sein: „Tausche Nazi gegen Flüchtling!“ Oder: „Niemand ist illegal.“

Bommeranerin: „Da muss man was machen“

So unterschiedlich die Menschen sind, die dem Aufruf von „Trotz allem“, SPD, Grünen und Piraten folgen, sie alle eint das Entsetzen über den Brandanschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in Bommerholz. „Das ist bei mir direkt vor der Haustür“, sagt Mirjam Hermes (43) aus Bommern. Für sie war sofort klar: „Da muss man was machen. Ich finde, hier sollte jeder Bürger sein Engagement zeigen.“

Zwar ist noch nicht klar, ob die Tat einen fremdenfeindlichen Hintergrund hat. Doch der Verdacht ist groß, dass hier rechtsextreme Feuerteufel am Werke waren. Es sei ganz wichtig, ein Zeichen gen Rechts zu setzen und die Flüchtlinge willkommen zu heißen, meint Stefanie Dittmar (43), die mitläuft und dabei Sohn Hans auf dem Arm trägt.

„Vielen Dank, Deutschland. Die syrischen Kinder“

Durch die Berliner Straße und Poststraße geht es zur Stadtgalerie. Auf dem Treppengeländer eines Hauses sitzt ein Mann aus Syrien und hält ein beschriebenes Stück Karton hoch: „Vielen Dank Deutschland. Die syrischen Kinder.“ Immer wieder wird man ihn während des Protestmarsches treffen, an erhöhter Stelle, mit dem Schild und Blumen in der Hand, die immer mehr werden.

In vorderster Reihe marschieren erneut viele Antifa-Aktivisten und Autonome, teilweise mit schwarzen Fahnen, dunklen Anoraks und Sonnenbrillen. Doch dahinter folgt die große bunte Menge der Wittener. Eine Sprecherin aus Reihen der Veranstalter, des linken sozio-kulturellen Zentrum „trotz Allem“, lässt keinen Zweifel an den möglichen Motiven der Täter: „Der Versuch, das Flüchtlingsheim abzufackeln, hatte nur ein Ziel: zu zeigen, das sie unerwünscht sind.“ Dem müsse man ein starkes Zeichen der Solidarität entgegensetzen. Laut schallt es: „Refugees welcome - Flüchtlinge willkommen.“

Bürgermeisterkandidaten zeigen Flagge

Eingereiht haben sich Spitzen aus Politik und Verwaltung, Vereinen, Initiativen, die Bürgermeisterkandidaten, der Bundestagsabgeordnete Ralf Kapschack und seine Vorgängerin Christel Humme, trotz Krücken, Ratsmitglieder und Kirchenvertreter wie Superintendent Ingo Neserke. Der findet es toll, dass auch „enorm viele Pfarrer“ gekommen sind. Und zeigt sich beeindruckt, „wie Bürger- und Christengemeine zusammenstehen“. Neserke: „Wir wollen dazu beitragen,dass kein Mensch, der in Witten Zuflucht sucht, Angst haben muss.“

Die Notunterkunft Jahnstraße, wo gerade 100 neue Flüchtlinge eingetroffen sind, ist das Ziel des Demonstrationszuges. Über die Bahnhofstraße geht es zum Rathausplatz. Passanten werden aufgefordert, mitzumachen. „Reiht Euch ein!“ Vorm Rathaus wird noch einmal ein Stopp eingelegt. Ben (11) hält sein Schild in die Höhe: „Refugees welcome, Flüchtlinge willkommen!“ Total geschockt seien sie von dem Brandanschlag gewesen, sagt Vater Johannes. Ben weiß aber auch genau, warum er heute dabei ist. „Ich finde, das geht gar nicht. Das sind doch auch Menschen mit Rechten. Sie sind hier, weil in ihren Ländern so schlimme Kriege sind.“

„Kein Platz für Nazis und Rassisten in Witten“

Wobei hier keiner entscheidet, ob ein Mensch nun vor Krieg und Terror oder Armut geflohen ist. Eine solche Einteilung schüre die fremdenfeindliche Stimmung, sagt eine Sprecherin. Und solange die Ursachen für Flucht nicht beseitigt seien, dürfe es „keine weitere Abschottung“ geben, fordert Ralf Kapschack vorm Rathaus. „Wir brauchen den klaren Willen, Flüchtlinge gut und schnell zu ingegrieren.“ Es sei genug Platz da, „wenn wir nur wollen“. Und unter Applaus ruft er: „Kein Platz für Nazis und Rassisten in Witten.“

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Gänsehautgefühl stellt sich ein, als die Menge schließlich an der Jahnhalle eintrifft, der Landesnotunterkunft, wo erst am Freitag wieder 100 neue Flüchtlinge angekommen sind. Laute Weltmusik erklingt aus dem Begleitfahrzeug. Flüchtlinge stehen am Absperrzaun, winken, manche etwas vorsichtig, andere filmen mit Handys. Sie scheinen sich zu freuen - und zu verstehen, dass diese vielen Menschen ihnen wohlgesonnen sind. Die Demo-Sprecherin lässt ein „Herzliches Willkommen“ in Arabisch übersetzen. Und: „Lasst Euch nicht einschüchtern. Wir stehen solidarisch an Eurer Seite.“

An den langen Absperrzäunen entlang ziehen die Demonstrationen über den Rasen des Sportplatzes zum hinteren Teil des Gebäudes. Oben, am Zaun, stehen die Flüchtlinge, einige kommen heraus. So wie Amadin (25) aus Nigeria, mit dem Anneliese (22) und Jonathan (27) aus Witten ins Gespräch kommen. Wie er nach Deutschland gekommen sei, fragen sie. „Eine lange Geschichte“, antwortet der junge Bootsflüchling in Englisch. Er trägt eine graue Pudelmäße und blaue Badelatschen. Leise sagt er: „Ihr seid gute Leute.“

Flüchtlingsheim

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Brandanschlag auf die künftige Flüchtlingsunterkunft Gästehaus, Bommerholz in Witten.
Brandanschlag auf die künftige Flüchtlingsunterkunft Gästehaus, Bommerholz in Witten. © Thomas Nitsche / Funke Foto Services | Funke Foto Services
Brandanschlag auf die künftige Flüchtlingsunterkunft Gästehaus, Bommerholz in Witten.
Brandanschlag auf die künftige Flüchtlingsunterkunft Gästehaus, Bommerholz in Witten. © Thomas Nitsche / Funke Foto Services | Funke Foto Services
Brandanschlag auf die künftige Flüchtlingsunterkunft Gästehaus, Bommerholz in Witten.
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