Witten.. Waldemar Klimek kam mit 16 Jahren nach Witten und hat hier seine Existenz als Dachdecker- und Spengler-Meister aufgebaut. Jetzt ist er gut die Hälfte des Jahres wieder in Polen, um dort Kirchtürme nach den Regeln alter Handwerkskunst zu restaurieren.


„Du fährst wieder zu deiner Kirche, Papa!“ Wenn Waldemar Klimek das am Bebbelsdorf von seinen Söhnen Philip und Paul zu hören bekommt, dann schwingt kein Vorwurf, sondern Bewunderung mit. Der Achtjährige und der Dreijährige können sich selbst keinen schöneren Beruf vorstellen als Dachdecker oder Priester.

Bei dem 40-jährigen Papa vereinen sich die Liebe zum gediegenen Dachdecker-Handwerk und zur katholischen Kirche. Wen wundert’s, dass er liebsten auf Kirchendächern herumsteigt?

Als Klimek 1987 mit 16 Jahren aus Polen den Großeltern nach Witten folgte, hatte er ein klares Ziel vor Augen. „Ich wollte mich wie mein Vater als Dachdecker selbstständig machen.“ Die polnische Lehre hatte er in der Tasche. Aber er ging bei Adler & Steveling nochmals in die Kurzlehre. Der ehrgeizige junge Mann strich nach der Gesellenprüfung einen Sonderpreis ein, gab sich mit Dachdecker-Meister nicht zufrieden, sattelte den Spengler-Meister obendrauf, ist damit Spezialist für Metalleindeckungen in Zink, Edelstahl, Kupfer, Blei und Aluminium. Er ging auf die Abendschule, um bei maroden Dachstühlen und schimmeligen Gemäuer weiter zu wissen, machte ein Kunsthandwerker-Lehrgang, lernte zu vergolden . . .

So originalgetreu wie möglich

In Witten steht er längst auf eigenen Füßen. Zur Vier-Personen-Firma gehört Ehefrau Bogumila (35), die das Büro macht. Klimek ist der Marienkirche und St. Vinzenz aufs Dach gestiegen, „macht“ aber auch in normalen Dächern. Doch die Kirchtürme Polens haben es ihm besonders angetan. Manche sind in beklagenswertem Zustand. Und Klimek – daher die ganzen Zusatzqualifikationen – liegt daran, sie in alter Handwerkskunst so originalgetreu wie möglich zu rekonstruieren.

Als Erstes hat er den Kirchturm seines Heimatdorfes Sucha – „dort bin ich getauft worden und zur Erstkommunion gegangen“ – mit Naturschiefer in altdeutscher Technik eingedeckt. Jede der quadratisch angelieferten Schieferplatten hat er einzeln behauen. Klimek baute den immer wieder notdürftig reparierten Turm maßgenau nach, wie er auf den Skizzen aus dem Baujahr 1311 ausgesehen hatte. Gut ein halbes Jahr brauchte er als Pendler zwischen Witten und Sucha dafür. Und frag nicht nach Feierabend: „Der Vorteil ist, da kann ich um 5 Uhr anfangen und bei Scheinwerferlicht bis um 1 Uhr in der Nacht arbeiten, da sagt kein Mensch was“. Am Ende setzte der dem Turm noch ein 1,40 m großes, selbstvergoldetes Kreuz auf. Das hatte er vorher bei einer Freiluftmesse auf dem Helenenberg aufgestellt. Ja, katholisch ist Klimek durch und durch. Ganz „für Gottes Lohne“, hat er’s deshalb nicht getan. Aber für die eigentlich „unbezahlbare Arbeit“ fand sich eine Regelung, mit der beide Seiten zufrieden waren.

Mit dem Flieger ab Dortmund

Der zweite Kirchturm, im Dorf Centawa, hatte ebenfalls harte Zeiten erlebt. Mit einem Polen, der die Unterkonstruktion übernahm, trug er ihn bis auf die Grundmauern ab. Beim Wiederaufbau zogen sie ihn höher – maßgetreu, wie er auf einer Aufnahme von 1887 ausgesehen hatte. 63 000 Nägel schlug er beim Eindecken ein, 32mal flog er mit dem Billigflieger von Dortmund nach Kattowitz: „Um 7 Uhr war ich hier in Witten auf der Baustelle, dann hat mich einer nach Dortmund gebracht, um 10.30 Uhr war ich in Polen.“ 20mal tingelte er mit dem Auto hin und her, bis zu zwölf Stunden auf der Piste. Zuhause hieß es jedes Mal: „Du fährst wieder zu deiner Kirche, Papa!“