Witten. Die Corona-Sommerwelle rollt mit voller Kraft durch den Kreis und Witten. Die Zahlen steigen sprunghaft. Wie ein Mediziner die Lage einschätzt.
Die Corona-Sommerwelle rollt weiter durch das Land. Auch Witten und der EN-Kreis bleiben davon nicht verschont. Am Mittwoch lag der sprunghaft gestiegene Inzidenzwert kreisweit bei 768,4 (Vorwoche: 444,4). Allein in den letzten sieben Tagen haben sich 3500 Menschen zwischen Breckerfeld und Witten mit dem Virus infiziert. Das scheint noch lange nicht das Ende zu sein.
„Die Zahlen werden steigen“, sagt Astrid Hinterthür, Leiterin des Krisenstabs. Sie rechnet vor allem für den Herbst mit neuen Rekordzahlen. „Wir hatten sowohl 2020 als auch 2021 starke Sprünge im Oktober. Das erwarten wir nun erneut“, sagt die Sozial- und Gesundheitsdezernentin. Allerdings lag die Inzidenz im Juli vergangenen Jahres mit unter zehn weit unter dem jetzigen Wert von fast 800. Hinterthür: „Wir starten also von einem ganz anderen Niveau in den Herbst und rechnen für den Ennepe-Ruhr-Kreis mit Inzidenzen zwischen 1500 und 2000.“
Weiteres Todesopfer in Witten
Diese steigende Tendenz ist auch in Witten schon jetzt zu erkennen. Lag der Inzidenzwert, der eine Zeit lang ausschlaggebend für die strikten Corona-Maßnahmen war, in der vergangenen Woche noch bei 442,3, sprang er an diesem Mittwoch bereits auf 523,9. Auch die Zahl der Corona-Toten in der Stadt hat sich wieder erhöht – nach dem Tod eines 92-jährigen Witteners auf inzwischen 193.
Auf den Intensivstationen ist die Lage dennoch entspannt. Im gesamten Kreis werden 72 Patienten und Patientinnen stationär im Krankenhaus behandelt, drei von ihnen intensivmedizinisch. Außer in der städtischen Kita Wemerstraße, in der sich 15 Kinder infiziert haben, sind derzeit in Witten keine Einrichtungen von größeren Ausbrüchen betroffen. Das dürfte auch an der Ferienzeit liegen.
Ärztesprecher aus Witten: Omikron ist „kein Fliegenmist“
Ist die derzeit vorherrschende Omikron-Variante angesichts der überschaubaren Zahl von Krankenhaus-Patienten also harmloser als seine Vorgänger? „Nach wie vor ist jeder Verlauf anders“, sagt Wittens Ärztesprecher Arne Meinshausen. Er warnt davor, die Variante zu unterschätzen. „Man kann sicher nicht sagen, dass das nur Fliegenmist ist.“ Auch in seine Praxis im Rathaus der Medizin kommen derzeit wieder mehr Patienten. So behandele er täglich bis zu 50 Infekte, drei Viertel davon sind Coronainfektionen.
Und auch wenn der Großteil der Fälle nicht auf Intensivstationen landet, sind es vor allem die Langzeitfolgen, die laut Meinshausen Probleme bereiten. „Bei jedem dritten Fall sind vorübergehend neurologische Probleme zu beobachten“, sagt der Arzt. So würden viele Genesene auch nach der Infektion an Gedächtnisstörungen leiden. Hinzu kommen Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schwäche. „Auch deshalb ist es wichtig, dass wir weiter impfen“, so der Mediziner. Er geht davon aus, dass ab September eine neue Impfaktion startet. Die soll dann eine mögliche Herbstwelle brechen.