Witten. Wer nicht geimpft ist, muss bald vielerorts einen Coronatest vorlegen – und ab Herbst selbst dafür zahlen. Wie das bei Wittenern ankommt.

Wer noch nicht gegen Corona geimpft ist, braucht ab dem 23. August an vielen Orten, wie etwa beim Friseur, im Restaurant, im Kino oder im Fitnessstudio einen aktuellen Coronatest – wenn die regionale Inzidenz über 35 liegt. NRW hat am Mittwoch diesen Wert überschritten. Ab Oktober wird es für Ungeimpfte dann noch ungemütlicher: Dann sollen sie die bislang kostenlosen Bürgertests aus der eigenen Tasche bezahlen. Ist das gerecht oder eine Impfpflicht durch die Hintertür? In Witten gehen die Meinungen dazu stark auseinander.

„Ich finde das richtig, schließlich wollen sich diese Menschen nicht impfen lassen“, sagt etwa Majd Al Zaraour. Der 21-Jährige kommt gerade aus dem Testzentrum in der Stadtgalerie. Weil er noch auf seine Zweitimpfung wartet, braucht er für einen geplanten Ausflug in einen Freizeitpark einen aktuellen negativen Test. Auch der 19-Jährige Aziz lässt sich an diesem Tag für eine Nachprüfung in der Schule testen – trotz zweifacher Impfung. „Um sicher zu sein.“ Dass Schnelltests kostenpflichtig werden sollen, hält er aber für den falschen Weg. „Denn die kann sich ja nicht jeder leisten.“

Testpflicht für Innenräume stößt in Witten auf viel Verständnis

Auch Christian Viktor wartet in der Stadtgalerie auf sein Ergebnis. Der 74-Jährige möchte eine Freundin besuchen, die frisch aus dem Krankenhaus entlassen worden ist. Geimpft ist der Rentner nicht – aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen. Diese sei bei ihm größer als die Sorge vor Ansteckung.

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Julianna Ott wertet  im Testzentrum in der Stadtgalerie in Witten einen Coronatest aus.
Julianna Ott wertet im Testzentrum in der Stadtgalerie in Witten einen Coronatest aus. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Auch nächste Woche wird er sich wieder testen lassen – um beim Geburtstag seiner Tochter dabei sein zu können. „Da kommt was auf uns zu“, sagt er mit Blick auf die verschärften Testpflichten für Ungeimpfte. Auch der Druck seitens seiner Familie, sich impfen zu lassen, werde immer größer. „Aber ich bin stur.“ Über die neuen Vorgaben ärgere er sich aber nicht: Schließlich gehe er ohnehin nicht ins Kino und verreise auch nicht ins Ausland.

Die Testpflicht für Ungeimpfte halten aber die meisten Wittener, die wir an diesem Tag treffen, für richtig. Auch Doris Giefers. „Wenn wir nicht genug tun gegen das Virus, kann es auch nicht eingedämmt werden“, sagt die 80-Jährige. Dass Ungeimpfte bald selbst zahlen sollen, lehnt sie aber ab. „Denn es gibt ja viele Gründe, warum Menschen sich nicht impfen lassen.“ Ihr Mann Heinrich sieht das anders: „Wer nicht geimpft ist, muss auch Nachteile in Kauf nehmen“, findet der 86-Jährige. „Und man kann auch niemanden zwingen, für andere zu zahlen.“ Die kostenlosen Bürgertests werden bislang vom Bund finanziert, also über Steuergelder.

Druck auf Ungeimpfte stößt auch auf Kritik

„Wer sich impfen lässt ist auf der sicheren Seite und hat Vorteile“, sagt Edmund Turowski. Jeder müsse aber selbst entscheiden, wie er mit der Pandemie umgehe. Es sei aber eine Entscheidung, ob man in der ersten Klasse mitfahren wolle oder in der zweiten. „Wenn jemand etwas nicht nutzen kann, weil er nicht geimpft ist, ist er selber schuld“, findet der 67-Jährige.

Kritischer sieht das Laura Scherp, selbst vollständig geimpft. „Kostenfreie Tests wären besser“, sagt die 31-Jährige. Schließlich werde ja davon gesprochen, dass es keine Pflicht zur Impfung gibt. Durch die Wahl impfen oder gebührenpflichtige Tests setze man die Menschen aber unter Druck.

Nachfrage in Testzentren niedrig

Derzeit laufen die Testzentren in der Stadt nicht auf Hochtouren. Im Laufe des Sommers ist die Nachfrage aufgrund sinkender Inzidenzen und mit mehr geimpften Bürgern deutlich gesunken. In der Stadtgalerie etwa nehmen die Mitarbeiter derzeit am Tag zwischen 200 und 300 Abstriche ab – mit den Sommerferien und den damit verbunden Urlauben sei die Zahl wieder etwas nach oben geklettert. Zu Hochzeiten waren es 700 Tests am Tag. Das Testzentrum in der Werkstadt wertet rund 500 Abstriche pro Woche aus. Man wolle die Teststation so lange wie möglich und wie es sinnvoll ist offen halten, sagt DRK-Sprecher Jens Struppek. Wie sich die Nachfrage im Herbst entwickeln werde, sei aber ungewiss. „Langfristig kommen wir nur mit dem Impfen aus der Pandemie heraus.“ Dennoch seien Tests weiterhin sinnvoll, um die Dunkelziffer zu drücken.

Deutlichere Worte findet Julia S. Kostenpflichtige Tests als Impfanreiz einzusetzen, hält sie für „unmöglich“. „Das ist im Grunde Erpressung, da wird einem die Pistole auf die Brust gesetzt“, ärgert sich die 40-Jährige. Im Grunde würden nun die bestraft, die bislang gesund geblieben sind. Denn auch Genesene sind ja von den Testpflichten ausgenommen. Sie selbst hat sich bewusst gegen eine Impfung entschieden. „Das Thema Impfen ist einfach zu komplex, als dass man einfach so ein ganzes Volk durchimpfen sollte“, findet sie. Besser wäre aus ihrer Sicht eine genaue medizinische Beurteilung in jedem Einzelfall.