Witten.. Die Pro Familia Beratungsstelle „Horizonte“kümmert sich um Wittener Opfer von sexueller Gewalt. Sie unterstützt Erzieher, Lehrer und Eltern und leistet Präventionsarbeit. Jetzt feiert sie 20-jähriges Jubiläum.
Seit zwei Jahrzehnten betreut Pro Familia in Witten Kinder und junge Erwachsene, die Opfer von sexuellem Missbrauch wurden. In der Beratungsstelle an der Annenstraße 120 helfen die Leiter Markus Guhl und Sybille Aßmann den betroffenen Familien und bereiten Seminare und Kampagnen zur Prävention vor. Zum 20-jährigen Jubiläum wollen sie am kommenden Mittwoch, 10. Juli, um 12.30 Uhr gemeinsam mit Bürgern auf dem Rathausplatz feiern.
1795 Wittener Missbrauchsfälle betreute die Beratungsstelle für Sexuelle Gewalt seit ihrer Gründung 1993. „Horizonte“ heißt die von der Stadt finanzierte Einrichtung, die jungen Opfern bis zum Alter von 27 Jahren kostenlose Beratung und therapeutische Begleitung bietet. Horizonte wollen Markus Guhl und sein Team aber auch Eltern, Lehrern und Erziehern aufzeigen: in Form von persönlicher Beratung, Unterrichtsbesuchen, Fortbildungen oder Elternabenden, die über das Thema aufklären sollen.
„In den letzten fünf, sechs Jahren hat es sich gezeigt, dass die Sensibilität gestiegen ist“, beobachtete Markus Guhl. Wenn Missbrauchsfälle in den lokalen und regionalen Medien erscheinen, steige auch das Beratungsbedürfnis. „Als der Missbrauchsfall im Hevener Waldorfkindergarten an die Öffentlichkeit kam, haben viele Eltern bei uns angerufen und Rat gesucht.“
Welche Anzeichen sprechen dafür, dass mein Kind sexuell missbraucht wurde? Wie können wir diese Schrecken als Familie verarbeiten? Welche Schritte müssen wir jetzt gehen? Wie können wir den Täter verklagen? All diese Fragen beantworten die Pro-Familia-Mitarbeiter in individuellen vertraulichen Gesprächen.
Durchschnittlich 75 bis 110 Kinder und junge Erwachsene werden in der Fachstelle von Experten diagnostisch betreut – die jüngsten sind gerade einmal zwei bis drei Jahre alt. „In dem Alter können sie meist noch nicht viel sprechen. Da ist es für uns besonders schwer, festzustellen, was vorgefallen ist“, sagt Markus Guhl. „Wir versuchen dann, spielerisch Vertrauen aufzubauen.“
Aus eigener Erfahrung weiß Guhl, dass auch in Witten die Täter in den meisten Fällen aus dem direkten Umfeld der missbrauchten Kinder stammen. „80 Prozent aller Übergriffe finden direkt im familiären und freundschaftlichen Umfeld statt.“ Zu bekannten Menschen bauen die Kinder schnell Vertrauen auf. „Oft sind es auch Jugendgruppenleiter oder Sporttrainer“, fügt Sybille Aßmann hinzu. „Das sind Personen, die nach außen immer als nett, kontaktfreudig und sozial engagiert gelten. Das macht es für Kinder und Erwachsene besonders schwierig, das zu glauben und das Schweigen zu brechen.“