Witten..
„Hier im Viertel muss man sich einfach wohlfühlen. Es gibt viele interessante Altbauten, Bäume, sogar einen Brunnen in Sichtweite.“ Lea Benkhofer ist Mitarbeiterin im „Knut’s“. Diese Kulturkneipe gehört inzwischen selbst zum unverwechselbar kreativen Gesicht des Wiesenviertels.
„Wuppertal hat längst solche Kreativquartiere“, erzählt die 28-Jährige, die vor acht Jahren von dort zum Studium nach Witten zog, wo dagegen „wenig los war“. Wuppertal habe auch zahlreiche schöne Altbauten, schwärmt sie und meint von denen im Wiesenviertel: „Sie könnten durchaus netter restauriert werden.“ Tatsächlich fällt einem beim Gang durch die Wiesen- oder die benachbarte Steinstraße auf, dass einige historische Fassaden nach einem Neuanstrich lechzen.
„Noch vor einiger Zeit gab’s hier viele Leerstände und Wechsel der Ladeninhaber“, weiß auch Petra Luthe um die Schattenseiten des Viertels. Bis heute verklebt sind etwa die Schaufenster des ehemaligen Sanitätshauses Drühe. Eher „schlimm und ungepflegt“ habe es im Quartier ausgesehen. Petra Luthe gehört der Textilwarenladen „Stoffelchen“, der an der Wiesenstraße gegenüber vom „Knut’s“ liegt. Besonders die Eröffnung der Kulturkneipe Ende März habe frischen Wind gebracht, findet die 50-Jährige: „Seitdem hat sich das Publikum im Viertel erfreulich geändert.“ Seit Generationen ist ihre Familie hier verwurzelt. „Damals gab es viele kleine Geschäfte“, erinnert sie sich an ihre Jugend, als es im Quartier brummte. Petra Luthe hofft, dass es durch die Impulse der letzten Zeit wieder zum Besuchermagnet wird. Scheinbar nicht vergebens.
„Ich komme aus Rheinberg unweit der holländischen Grenze“, erzählt Jeannette Schüler, die gerade als Kundin in den gehobenen Second-Hand-Laden „Rosenrot“ an der Casinostraße hereinschneit. Sagt’s und hat auch schon ein Paar origineller, superspitzer Schuhe an den Füßen - und ruck, zuck gekauft. Durch den Besuch im Bochumer Laden der „Rosenrot“-Inhaberin Marianne Drenske-Krohm (51) sei sie auf deren Geschäft in Witten neugierig geworden, erzählt die 48-Jährige. Interessant findet sie nicht nur das Angebot, sondern auch die „mutig“ knallrot gestrichenen Wände des Geschäfts. Aber schließlich befindet sie sich ja auch in einem Kreativquartier. Das erinnere sie an „frühere Studentenviertel“, meint Marianne Drenske-Krohm.
Der Ladenbesitzerin fehlen aber noch einige Künstlerateliers. Dafür gebe es viele Frisöre, Lokale und Cafés - „und einen tollen türkischen Supermarkt“. Verschmitzt ergänzt sie: „Aber zum Glück keine Spielhalle.“ Kult seit Jahrzehnten ist die Kneipe „Klimbim“ neben dem „Knut’s“ in der Wiesenstraße, ungewöhnlich die „Shisha Lounge Aroma“ einige Meter weiter. Dass die Anwohner der angrenzenden Casinostraße die Beete selbst liebevoll bepflanzen und pflegen würden, hebe die Atmosphäre, meint Drenske-Krohm.
Besonderer Hingucker ist ein Baum neben dem Brunnen. Ist er doch gut anderthalb Meter hoch kunterbunt umstrickt. Damit er so originell aussieht, haben junge Damen für das Wiesenviertelfest Anfang Juni die Nadeln glühen lassen. Einige von ihnen treffen sich regelmäßig montags als Strickgruppe im „Knut’s“, bevorzugt im begrünten Hinterhof. Daran schließt übrigens das „Knut’s Studio“ an, ein aufgemöbelter ehemaliger Lagerraum, den Kreative kostenlos nutzen können. Derzeit schneidet dort eine Uni-Gruppe ein Hörspiel.
In der Strickgruppe, in der auch zwei Männer regelmäßig die Nadeln klappern lassen, sind Anfänger übrigens stets willkommen. So wie Derya Cömert (28) und Olivia Grosche (32). „Ich versuche mich gerade an einer Babymütze“, erzählt die eine, „es ist gar nicht so schwer, wie ich dachte.“ Das Wiesenviertel scheint also Kreativität geradezu herauszukitzeln.