Der erste Todestag des vor einem Jahr auf der Rüsbergstraße in Kämpen überfahrenen Christian (20) rückt näher.
Tag und Nacht brennen Kerzen am Rand der ländlichen Rüsbergstraße in Kämpen. Jetzt, wo die Tage kürzer werden und an jedem Laternenmast wieder Halloween-Partys plakatiert sind, denken Astrid und Andreas Marks besonders oft an jenen 1. November. Morgens um Viertel nach sieben erfuhren sie, dass ihr 20-jähriger Sohn auf dem Nachhauseweg von einer Gruselfete überfahren worden war.
Heute ist Christians erster Todestag. Genau ein Jahr ist seit dem schrecklichen Unglück vergangen. Und trotzdem kommt es seiner Mutter so vor, „als wäre es gestern gewesen“. Sicherlich habe sich in der Zwischenzeit etwas verändert. „Man läuft nicht mehr so blind und benommen durch die Welt wie damals“, sagt die 54-Jährige, der noch eine erwachsene Tochter geblieben ist, Stephanie, Christians 24-jährige Schwester. Und ja, natürlich kann sie manchmal auch wieder lachen und sich mit Freunden treffen. Und trotzdem: „Die Freude ist nicht mehr so wie früher.“
Ein Mensch fehlt. Und er wird nie wiederkommen. Dabei war Christian so ein lebensfroher Mensch. Der gerne den Lässigen raushängen ließ, der gerne gut aß, der gerne feierte, der noch so viel von der Welt sehen wollte. Er war hungrig aufs Leben, das ihm so früh genommen wurde.
„Wir sind nicht mehr so unbeschwert wie sonst“, bestätigt Andreas Marks, der Vater. Das Abschiednehmen fällt ihm und seiner Frau schwer. Vielleicht, meint Astrid Marks, müssten wir ein bisschen mehr loslassen. Sich erinnern und trauern, das werden sie ein Leben lang. Manchmal ist ihnen Christian ganz nah. „Wenn ich einen kleinen Renault den Berg rauffahren sehe, denke ich, jetzt kommt er gleich“, sagt die Herbederin.
Wenn sie junge Leute sieht, muss sie gleich an Christian denken. Selbst bei Kindern kommt die Erinnerung. Sein Vater hat dann den kleinen blonden Lockenkopf vor Augen. „Das geht durch Mark und Bein.“ Neben dieser lebendigen Trauer darf auch Wut sein, die manchmal in dem 46-Jährigen und seiner Frau hochsteigt.
„Warum musste er immer der Letzte sein?“ fragt Astrid Marks. Sie spielt auf das Feiern an, so wie es junge Leute halt tun. Christian - „er hatte immer Geld fürs Taxi“ - hatte sich nach einer Halloween-Party auf Burg Blankenstein frühmorgens zu Fuß auf den Weg nach Hause gemacht. Der junge Bundeswehrsoldat hatte sein Elternhaus in Kämpen fast erreicht, als er offenbar auf die Straße stürzte, wo ihn ein Auto überrollte.
Christian starb um 4.25 Uhr. Es war neblig.
Der Fahrer (oder die Fahrerin) ist bis heute flüchtig. „Das macht uns zu schaffen, dass der Verursacher hier vielleicht rumläuft und sich seines Lebens freut“, sagt Andreas Marks, „und wahrscheinlich die Sachen macht, die unser Sohn auch noch so gern gemacht hätte.“
Die Eltern besuchen oft die Unfallstelle in der Nähe ihres Hauses. Astrid Marks zündet dann Kerzen an, manchmal spricht sie auch mit ihrem Sohn. „Ich habe das Gefühl, ich muss da immer hin. Hier ist ein Stück Leben von ihm. Denn hier war er zuletzt.“
Sie könnte ihrem verstorbenen Sohn auch was vom letzten Urlaub in der Dominikanischen Republik erzählen. Als sie mit ihrem Mann auf der Hotelterrasse saß und den malerischen Blick aufs Meer genoss, dachte Astrid Marks: „Christian, ich guck jetzt für dich mit.“