Witten. Auch zwölf Wochen nach dem Hackerangriff auf Witten sind die Folgen noch nicht überwunden. IT-Chef Hasenberg erklärt, was geht – und was nicht.
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Zwölf Wochen ist es her, seit ein Hackerangriff die Wittener Stadtverwaltung komplett lahmgelegt hat. Vieles ist seitdem wieder ans Netz gebracht worden, aber noch lange nicht alles. „Wir haben immer noch einige Baustellen“, sagt IT-Leiter Andreas Hasenberg. Dass es so lange dauert, bis alles wieder reibungslos läuft, damit habe selbst er nicht gerechnet. Dennoch ist der 63-Jährige nicht unzufrieden.
Derzeit werde mit Hochdruck daran gearbeitet, alle Arbeitsplätze wieder ans Netz zu bringen. Dazu müsse jeder einzelne Rechner – 1000 bei der Verwaltung, Hunderte in den Schulen – neu installiert werden. „Das ist ein Riesenaufwand“, so Hasenberg. Denn es geht nicht nur um die immer gleichen großen Programme wie Textverarbeitung oder Mail, die neu aufgespielt werden müssen. „So eine Verwaltung ist ja ein großer Gemischtwarenladen mit über 200 verschiedenen Anwendungen“, erklärt Hasenberg. Das Standesamt braucht andere Software als die Müllabfuhr. „Das ist sehr, sehr kleinteilig, fast jeder Arbeitsplatz hat spezielle Anforderungen.“
Wittener Verwaltung hat Sicherheitsmaßnahmen verstärkt
Doch nicht nur die Dienstprogramme müssen neu aufgespielt werden, auch die neuen Sicherheitsvorkehrungen. Weil die Hacker die komplette Infrastruktur zerstört hatten, wurde „einiges an Sicherheitsmaßnahmen“ angeschafft, damit so ein Supergau künftig nicht mehr passieren kann. Eingeführt werden soll eine Zwei-Faktor-Authentifizierung, bei der sich die Nutzer bei der Anmeldung am Rechner zusätzlich über ein zweites Gerät identifizieren müssen, außerdem wurde die Netz- und Rechte-Struktur grundlegend verändert. „Das bedeutet, wir müssen jetzt erst einmal über einige Hürden klettern, bevor wir arbeiten können“, sagt der IT-Chef.
Diese Hürden sind so hoch, dass sie momentan nicht jeder überwinden kann. Von zu Hause aus ist der Zugriff auf die städtischen Systeme aus Sicherheitsgründen noch nicht überall möglich. „Das bedeutet aber auch, dass wir viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ins Homeoffice schicken können, sie müssen in ihrer Dienststelle arbeiten.“ Das bereitet dem IT-Chef wegen der anrollenden Omikron-Welle einige Bauchschmerzen.
Zugriff aufs Internet funktioniert noch nicht
Das nächste große Problem ist der Zugriff aufs Internet. Die Mailadressen funktionieren zwar wieder, ebenso wie die Terminvergabe fürs Bürgerbüro, der Traukalender soll auch ganz bald laufen. Aber die Mitarbeitenden im Rathaus können nur einzelne, freigegebene Seiten im Netz aufrufen. Der Grund: Die alten Server stellen ein Sicherheitsrisiko dar, erst müssen neue installiert werden. Das werde sicher noch vier bis sechs Wochen dauern, vermutet Hasenberg.
Ermittlungen laufen weiter
Nach dem Hackerangriff ist die Polizei eingeschaltet worden. Ein Ermittlungsverfahren läuft bei der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) in Köln.Wie der zuständige Staatsanwalt jetzt mitteilt, dauern die Ermittlungen noch an und richten sich weiterhin gegen unbekannt. Derzeit würden die im Rahmen der bisherigen Ermittlungen gesicherten Daten ausgewertet. Er gehe davon aus, dass die Ermittlungen wohl noch mehrere Monate laufen werden. Ob es gelingen wird konkrete Beschuldigte zu identifizieren, lasse sich derzeit nicht prognostizieren.
Dennoch ist er nicht unzufrieden mit dem Stand der Dinge. Alle großen, wichtigen Aufgaben können längst wieder erledigt werden. „Wir können Rechnungen und Gehälter bezahlen, Sozialleistungen bedienen“, sagt er. Das sei überlebenswichtig für eine Verwaltung. „Da sind die Menschen auf uns angewiesen.“
Witten sei eigentlich „ganz gut unterwegs“
Zudem sei es alles andere als einfach, die komplette Infrastruktur neu zu schaffen. „Wir können es ja nicht einfach so machen, wie es vorher war“, betont der Experte. Es müsse besser und sicherer werden. „Dazu müssen wir aber jedes System überprüfen.“
Angesichtes dieser komplexen Aufgabe sei die Stadt eigentlich „ganz gut unterwegs“, meint Hasenberg. Das zeige auch der Vergleich mit anderen betroffenen Städten. Wittens Partnerstadt Bitterfeld-Wolfen etwa hätten die Hacker schon im Juli erwischt. „Und die sind immer noch nicht so weit wie wir – allerdings sind die auch ein Landkreis mit noch mehr Aufgaben.“
Online-Dienste für die Bürger funktionieren wieder
Hasenberg will Witten damit aber eigentlich nicht vergleichen. Er betont lieber, dass es bereits gelungen ist, die allermeisten Online-Dienste für die Bürger – etwa um einen Antrag zu stellen – ans Laufen zu bringen. Nur der leidige Sperrmüll ist noch sperriger als gedacht. Und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben: „Das war ein uraltes Programm, da brauchen wir ein neues“, erklärt der IT-Leiter. Doch es gebe praktisch nichts auf dem Markt. „Da werden wir wahrscheinlich selbst was entwickeln müssen und uns vorher eine Übergangslösung ausdenken müssen.“
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Es gibt also viel zu tun – und das bleibt wohl auch noch ein paar Monate so. Hasenberg: „Wenn wir bis Ostern bei 97 Prozent sind, bin ich ganz zufrieden.“