Fußball-EM: Beim Rudelgucken in Witten flossen auch Tränen
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Witten. Beim „Portugal SV Witten“ haben Portugiesen und Deutsche gemeinsam das EM-Spiel verfolgt. Auch die ein oder andere Träne ist dabei geflossen.
Heiß hergegangen ist es am Samstagabend nicht nur bezüglich des Wetters: Das Spiel Deutschland gegen Portugal in der EM-Vorrunde ließ auch in Witten die Emotionen hochkochen. Besonders gut zu sehen war das beim „Portugal SV Witten“ (PSV). Im Vereinsheim am Husemannsportplatz fieberten etwa 30 Mitglieder und Freunde mit ihrer Mannschaft mit – ein Abend zwischen Freude und Tränen.
Es ist das große schwarze Handtuch mit Cristiano Ronaldo darauf, das beim Betreten des Vereinsheims sofort ins Auge sticht. An der Wand hängen Schals, vom „F.C. Porto“, aber auch von Dortmund, Borussia Mönchengladbach und Schalke. „Wir sind ein multikultureller Verein“, sagt der erste Vorsitzende, Anibal Fernandes. „Unsere Tür steht für jeden offen, egal welcher Herkunft“.
Deutsche und Portugiesen fiebern gemeinsam beim Fußballspiel mit
Dementsprechend bunt gestaltet sich die Kleidungsauswahl der Vereinsmitglieder, die am Abend zum Fußballgucken kommen – weiße Deutschland- und grüne Portugaltrikots wechseln sich ab, neben Fans mit schwarz, rot, goldenen Häkelmützen auf dem Kopf sitzen andere mit rot-grünen Hüten.
Unter dem Bildschirm, der draußen aufgebaut ist, hängt sowohl eine Deutschland – als auch eine Portugalflagge. Die Stimmung ist an diesem Abend vor Spielbeginn entspannt, es gibt Bratwürstchen und Grillbrot. Mit dem Anpfiff steigt die Spannung. Als nach einer Viertelstunde Ronaldo das erste Tor schießt, springen alle auf, etwa die Hälfte der Zuschauer in rot-grünen Trikots jubelt so laut, dass es über den gesamten Husemannplatz schallt.
Der Kopf für Portugal, das Herz für Deutschland
Anibals Tochter Raquel, die gemeinsam mit ihrer Freundin Evelyn für ausreichend Getränke an den Tischen sorgt, bleibt hingegen ganz ruhig. „Wir haben bisher immer gegen Deutschland verloren“, sagt die 21-Jährige. Dann lächelt sie: „Die Hoffnung stirbt natürlich zuletzt“.
Vereinsmitglied Uwe Rittinghaus läuft gut gelaunt zu seinem Tisch, in beiden Händen jeweils ein portugiesisches Bier. Auf dem Kopf trägt er eine Kappe in Portugalfarbe, sein Trikot ist weiß. „Mein Kopf ist für Portugal, vom Herzen her bin ich für Deutschland“, erklärt der 58-Jährige.
Bei den Eigentoren kippt die Stimmung etwas
Ganz vorne sitzt Claudia Madeira mit ihrer Tochter Nicole. Ihr Mann Julio, Spieler beim PSV, guckt gebannt auf den Bildschirm. Als innerhalb von fünf Minuten zwei Eigentore fallen, kippt die Stimmung dann doch etwas. Allgemeines Kopfschütteln und Stirnrunzeln bei den Portugiesen. Während der Halbzeit heitern die Deutschen ihre Freunde auf.
Serdan Kutlu, der im Portugal-Trikot kam, wechselt nun zum Deutschland-Trikot. „Ich habe extra zwei T-Shirts mitgenommen“, erklärt der Wittener, der gemeinsam mit portugiesischen Freunden das Spiel guckt. Ein paar Tische weiter trinken Sabrina und Christiane portugiesischen Weißwein.
Rudelgucken im Vereinsheim "Portugiesischer SV"
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Sabrina hat Deutschlandfahnen auf ihre Wangen geschminkt, ins Haar schwarz, rot, goldenen Strähnen gefärbt. Die Wittenerin kann noch strahlen, während der Portugiese Pedro am anderen Ende des Tisches nach der Halbzeit immer wieder mit den Tränen ringt. Mittlerweile sind vier Tore für Deutschland gefallen, beim zweiten Tor für Portugal noch ein kurzer Jubel, dann wieder gebanntes Starren auf den Bildschirm.
Endlich wieder zusammen sitzen
„Wir sind sehr froh, endlich wieder beisammen sitzen zu können, wenn auch in viel kleinerer Runde, als sonst“, sagt Christiane. Während die meisten draußen sitzen, verfolgen drinnen einige Vereinsmitglieder an den Stehtischen das Spiel. Das wird hier an die Wand gebeamt, der Kommentator spricht Portugiesisch. Alex Vicente und seinem Sohn Pascal ist die Enttäuschung anzusehen. „Die beiden Eigentore, die haben es kaputt gemacht“, findet Alex Vicente. Seit er zwölf Jahre alt ist, lebt der 56-Jährige in Deutschland – doch sein Herz schlägt nach wie vor für das Heimatland.
Verein gibt es seit 1976
Der Verein „Portugal SV Witten“ wurde 1976 gegründet, feiert dieses Jahr also sein 45-jähriges Bestehen. Eine Feier ist wegen der Pandemie-Situation noch nicht geplant. „Wir sind erstmal froh, dass nach fast acht Monaten Lockdown wieder Turniere stattfinden können“, sagt der erste Vorsitzende Anibal Fernandez. Es sei eine sehr harte Zeit gewesen.
Zurück am Tisch von Christiane und Sabrina ist die Stimmung nach dem Spiel bestens, die portugiesischen Freunde werden getröstet. Christiane fliegt morgen früh mit ihrem Mann Jörg, der Trainer für die ganz Kleinen des PSV ist, in den Urlaub. Wohin es geht? Natürlich an die Algarve, Portugal.
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