Witten. Nach einem Gerichtsurteil haben die Städte in NRW zu hohe Abwassergebühren kassiert. Das sind die bislang bekannten Folgen für Witten.

Städte in NRW haben nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts über Jahre die Abwassergebühren falsch berechnet. Während die Frage nach Rückzahlungen noch offen zu sein scheint, geht Kämmerer Matthias Kleinschmidt geht davon aus, dass die Abgaben in Witten künftig gesenkt werden müssen.

Wie viel die Bürger demnächst weniger zu zahlen haben, dazu lassen sich nach Worten des Dezernenten aktuell keine konkreten Angaben machen. Noch liege die Urteilsbegründung nicht vor, die er aber dazu brauche. Aufgrund der bislang vorliegenden Eckdaten zeichne sich aber bereits ab, dass Witten nicht mit der Stadt Oer-Erkenschwick gleichgesetzt werden könne, gegen die ein dortiger Bürger in einem Musterverfahren geklagt hatte.

Haben Bürger Chance auf Rückzahlung der Abwassergebühren?

Nach dem Richterentscheid hat die Stadt im Ost-Vest aufgrund fehlerhaften Berechnungen 18 Prozent zu viel an Gebühren verlangt. Angesichts der Kalkulationen, die Witten vornehme, „liegen wir nach jetzigem Stand aber deutlich darunter“, so der Kämmerer.

Da stellt sich die Frage, ob Bürger die Chance haben, Geld zurückbekommen. Gute Karten dürften nach geltender Rechtssprechung jene haben, die einen entsprechend begründeten Widerspruch gegen die Abwasserbescheide eingelegt und noch keinen abschlägigen Bescheid von der Stadt erhalten haben.

Die Instandsetzung von Abwasserkanälen wie hier vor zwei Jahren an der Bonhoefferstraße  gehört zu den Aufgaben des Eigenbetriebs Abwasser der Stadt Witten. Die Finanzierung solcher Projekte erfolgt über die Abwassergebühren.
Die Instandsetzung von Abwasserkanälen wie hier vor zwei Jahren an der Bonhoefferstraße gehört zu den Aufgaben des Eigenbetriebs Abwasser der Stadt Witten. Die Finanzierung solcher Projekte erfolgt über die Abwassergebühren. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Steuerzahlerbund fordert Städte zu Rückzahlungen auf

Nach Einschätzung von Rik Steinheuer, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler in NRW, dürfte es für die meisten Gebührenzahler jetzt zu spät sein, noch Widerspruch einzulegen. Der müsse innerhalb von vier Wochen erfolgen. In der Regel würden aber nun mal die Bescheide zu Jahresbeginn verschickt. Mit Blick auf das Musterverfahren hatte der Steuerzahlerbund in den vergangenen Jahren die Bürger aufgefordert, Rechtsmittel einzulegen. Die Städte haben die Abwassergebühren bis jetzt nach einem Urteil berechnet, das noch aus dem Jahr 1994 stammt, so Steinheuer.

Der Steuerzahlerbund fordert zudem die Städte und Gemeinden auf, den Bürgern die zu viel bezahlten Gebühren für einen Zeitraum von vier Jahren zurückzahlen. Das sei im Gebührenrecht die übliche Verjährungsfrist. Kommunen würden sie gern zu Nachforderungen nutzen, jetzt sei es aber Zeit für Rückzahlungen. „Es handelt sich um Millionensummen, die die Kommunen zu viel abkassiert haben“, sagt Steinheuer. Falls sich die Städte und Gemeinden allzu stur stellen würden, überlege man, Musteranträge für die Bürger auf der Internetseite einzustellen.

Belastungsprobe für den städtischen Haushalt

Laut landesweitem Ranking deutlich über NRW-Mittel

Nach einem Ranking des Steuerzahlerbundes schneidet Witten bei den Abwassergebühren ziemlich schlecht ab. Ein Vier-Personen-Musterhaushalt in Witten zahlte in 2021 mit 818,70 Euro rund 92 Euro mehr als im Mittel Haushalte anderer NRW-Kommunen. In einigen anderenRuhrgebietsstädten sind die Gebühren auch erheblich niedriger. Bochum lagen sie nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes im vergangenen Jahr bei 643 Euro, in der Stadt Dortmund waren es 646,60 Euro und in Hattingen 639,40 Euro. Die Stadt begründetdie Kosten damit, dass Bauen und Unterhalten von Kanälen oder Rückhaltebecken in eng bebauten Gebieten mit wesentlich höheren Kosten verbunden sei, als in ländlicheren Kommunen. Auch das Alter und der Erhaltungszustand der Kanäle erhöhten die Ausgaben.

Für den städtischen Haushalt in Witten dürfte das zu einer weiteren Belastungsprobe werden. Denn rund 4,5 Millionen Euro fließen derzeit jährlich an Abwassergebühren in den Etat. Bei den Einnahmen wird es ohnehin schon nicht bleiben, wenn die Abgaben für die Bürger geringer ausfallen sollen. Der Kämmerer betont, dass die Gelder dann zur Finanzierung anderer städtischer Aufgaben fehlen werden.

Da nicht nur Eigentümer Abwassergebühren zahlen, sondern auch Mieter an den Kosten beteiligt werden, sollten sich diese auch um das Thema kümmern, so der Steuerzahlerbund. Er empfiehlt, Kontakt zum Vermieter aufzunehmen.

Im Übrigen ist gegen das Urteil zwar keine Revision möglich. Die hat das OVG nicht zugelassen. Aber dagegen kann die Stadt Oer-Erkenschwick noch vor das Verwaltungsgericht ziehen.