Witten. Der Wunsch von Toco (7) aus Witten, einen Baum für seine graue Straße zu bekommen, zieht immer größere Kreise. Wird daraus nun ein Klimaprojekt?
Was der siebenjährige Toco mit seinem Wunsch nach einem Baum in der grauen Konrad-Adenauer-Straße angestoßen hat, hätte er sich wohl im Traum nicht einfallen lassen. Er hat nicht nur viele Menschen berührt, steht sein Wunsch doch symbolisch für das, was gerade für seine Generation auf dem Spiel steht – nicht weniger als dieser Planet. Er hat am Wochenende auch eine Wette ausgelöst, die ein großes Klimaschutzprojekt aus der Bevölkerung heraus zur Folge haben könnte.
Angekündigt war am Samstag das vierte „Stadtgespräch“, zu dem sich Alt-Bürgermeister Klaus Lohmann und Uni-Spendensammlerin und City-Immobilienbesitzerin Edeltraud Priddat ins Kaufhof-Schaufenster setzen wollten, Motto: „Ärmel hoch – Gemeinsam in Witten“. Man wusste zwar, dass Toco mit seinen Eltern dazukommen sollte. Doch niemand ahnte, dass es am Ende ein bisschen wie bei „Wetten, dass..?“ wurde.
Der Alt-Bürgermeister und die vor vielen Jahren aus Hamburg zugereiste Edeltraud Priddat warfen sich zunächst die Bälle zu, sangen ein Hohelied auf die Uni und was diese für Witten bedeutet.
Lohmann (85) erinnerte an die Bergbauvergangenheit der Stadt, die mit 60 Prozent Grünanteil längst „die Ruhrstadt“ sei. Priddat gestand, mit den Jahren ihr Herz „an diese verrückte Stadt“ verloren zu haben. Die Uni sei ihre erste intellektuelle Heimat gewesen.
Priddat erinnerte an Studenteninitiativen wie Stellwerk und Unikat, die nicht zuletzt mit dem Wiesenviertel die Stadt verändert und „Möglichkeitsräume“ geschaffen hätten. Diese und andere tolle Aktivitäten, etwa des Kulturforums mit der gerade zur europäischen Kulturmanagerin des Jahres ausgezeichneten Jasmin Vogel, „machen Witten für mich lebenswert“, so die Fundraiserin der Uni. Und dann kam Toco ins Spiel.
„Toco Reimer hat etwas ganz Wichtiges angestoßen“, sagte Priddat. Der Siebenjährige liegt seinen Eltern seit einem Jahr damit in den Ohren, wie hässlich seine Straße sei, wo „null Bäume“ stehen. Doch es musste erst die Jahrhundertflut Mitte Juli kommen, um die Eltern handeln zu lassen. „Er hat ja so Recht“, sagt Mutter Marilli (43). Es wurde wirklich höchste Eisenbahn, dem Wunsch unseres Kindes nachzugehen.“
Doch die Stadt beschied die Bitte nach einem Baum abschlägig, verwies auf Leitungen in der Erde. Nun möchte Edeltraud Priddat für Toco ein Hochbeet bauen lassen. „Wir würden nächste Woche bei dir vorbeikommen“, sagte sie. „Haste Zeit?“ Die 68-Jährige will nicht nur einen Schreiner mitbringen, sondern auch Studenten der Initiative „Witten wurzelt“. Außerdem ist die Fundraiserin zuversichtlich, was den Baumwunsch angeht: „Der jetzige Bürgermeister findet bestimmt noch einen Weg, dass irgendwas möglich ist.“ Und dann kam die Klima-Wette.
865 von 17.000 Wohngebäuden in Witten hätten eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, sagte Priddat. Sie wette, im nächsten Jahr mehr Menschen als Klaus Lohmann dazu überreden zu können, sich ebenfalls eine solche Anlage aufs Dach zu setzen. Der gut vernetzte Lohmann nahm die Wette gerne an, darauf hoffend, „dass sich Witten eines Tages mit Wind und Sonne selbst versorgen kann“ – und vielleicht die Stadt im Ruhrgebiet mit den meisten Photovoltaik-Dächern werde. Dafür applaudierten die rund 30 Zuschauer, wie sie auch schon die Aktion für Toco beklatscht hatten.
Priddat setzte dann noch einen drauf. Sie schlug einen jährlichen „Klimatag“ für die Wittener Schulen vor. Diese könnten zum Beispiel ein Beet vor ihrer Schule anlegen oder nach den Bäumen im Stadtpark sehen. Klaus Lohmann wettete gerne mit. „Ich bin gar nicht sauer, wenn ich verliere.“
Und auf welche Wettschuld einigten sich die beiden? Wer verliert, beteiligt sich vier Stunden lang an einer Müllsäuberungsaktion in der City. Vielleicht ist Toco ja auch dabei, obwohl er mit seinem Wunsch schon längst so viele Herzen gewonnen hat.