Familienbetrieb in Witten fertigt seit 1946 Brillengläser
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Witten. 1946 gründeten Günther und Heinz Joppich in Witten eine Firma, die Brillengläser herstellt. Warum Enkel Jens Matros ein gefragter Spezialist ist.
Alles begann im August 1946, in einem Hinterhof an der Breite Straße. Vor 75 Jahren gründeten Günther und Heinz Joppich dort die Firma Gebrüder Joppich. Das Unternehmen gibt es heute noch an gleicher Stelle - direkt gegenüber vom Ruhr-Gymnasium. Chef des Familienbetriebes, der Brillengläser fertigt, ist in dritter Generation Jens Matros. Der Verfahrensmechaniker für Brillenoptik produziert Brillengläser auch für schwerst sehbehinderte Menschen.
Brillengläser für Optiker von der Firma Gebrüder Joppich
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Seine Schwester Silke Matros-Reuse ist in der Firma für die Produktkontrolle und Auftragsannahme zuständig. Brillengläser von Joppich werden aus einem optisch reinen Kunststoff hergestellt, von Experten „CR 39“, genannt. Kreisrundes Ausgangsmaterial, maximal 1,5 Zentimeter dick, das der Betrieb kauft und aus dem er Brillengläser herstellt. Normalerweise sind diese heutzutage ein Fabrikprodukt. Bundesweit, so schätzt Jens Matros, der vier festangestellte Mitarbeiter und vier Teilzeitkräfte beschäftigt, hat er vielleicht noch neun Kollegen, die in Süd- und Ostdeutschland sitzen. „Die sind aber alle größer als wir.“
Günther Joppich und seine Frau kamen nach Kriegsende aus dem Havelland nach Witten
Der Großvater von Jens Matros stammt aus dem brandenburgischen Rathenow. Die Stadt hatte sich seit dem 19. Jahrhundert einen Namen als Sitz zahlreicher optischer Betriebe gemacht. Feinoptik-Meister Günther Joppich und seine Frau Stephanie kamen nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem Havelland in die Ruhrstadt. Joppichs Bruder Heinz hatte dafür gesorgt. Zusammen gründeten die Brüder an der Breite Straße ihre eigene Firma. Das Vorderhaus war durch die Luftangriffe im Krieg stark beschädigt worden. Matros: „Sie lebten drei Jahre im Keller und arbeiteten im Hinterhof.“ Als Heinz Joppich bei einem Autounfall 1949 starb, führte sein Bruder den Betrieb weiter. Dieser hatte damals schon fast 50 Mitarbeiter, wie ein Foto der Firmen-Weihnachtsfeier von 1948 zeigt.
Über seine Großmutter sagt der heutige Firmenchef: „Sie war eine coole Frau, die die Ware mit einem VW-Käfer zu den Kunden brachte und dort auch gleich bar kassierte.“ Stephanie Joppich starb 2014 mit 92 Jahren und war bis zum Schluss mit im Betrieb. Jens Matros Mutter Brigitte, die vor zwei Jahren verstarb, war eine Tochter von Günther und Stephanie Joppich.
Sie hatte sich für den elterlichen Betrieb entschieden. Ihre Ausbildung machte sie bei ihrem Vater. Der hatte seine Pläne zum Bau einer Maschine, mit der Brillengläser hergestellt werden konnten, 1946 mit nach Witten gebracht. Günther Joppich fertigte seine Brillengläser einst noch aus Mineralglas. Sein Enkel: „Das ist heute sehr teuer, schwer und auch leicht zerbrechlich.“
Die Kunden sind selbstständige Augenoptiker, keine Ketten
Seit den 90er Jahren gibt es im Betrieb sogenannte CNC-Fräsmaschinen, die über Werkzeuge verfügen, die nach Computerprogrammen arbeiten. Mit diesen werden die Brillengläser gefräst und poliert. Jedes Glas wird immer wieder in die Hand genommen und kontrolliert. Kunden des kleinen Industriebetriebs sind selbstständige Augenoptiker in ganz Deutschland, keine Ketten.
Es gibt auch einen Großkunden, der selbst Sehhilfen für schwerst sehbehinderte Menschen produziert. Für ihn stellt die Firma Joppich Spezialgläser her. Eine Serienfertigung gibt es nicht. Matros: „Jedes Glas ist ein Einzelstück.“ Der Betrieb an der Breite Straße ist ein Spezialist, ein Experte für Spezialanfertigungen, für Menschen mit ungewöhnlich hohen Dioptrienwerten.
Bunte Gläser bei Augenkrankheiten
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Keine Brillen für Hühner
Die ungewöhnlichste Anfrage, die die Wittener Firma Gebrüder Joppich jemals bekam, stammte aus Süddeutschland. Ein dortiger Optiker fragte bei Jens Matros nach, ob dieser vielleicht auch Brillengläser für Hühner anfertigen könne. Kein Aprilscherz, sondern ein Forschungsvorhaben an der Uni Erlangen, wie sich der Verfahrensmechaniker für Brillenoptik erinnert. Matros musste den Auftrag allerdings ablehnen. „So kleine Gläser bekommen wir nicht hin.“
Joppich-Gläser gibt es in sehr vielen Farben, nicht als Modegag, sondern aus medizinischen Gründen bei bestimmten Augenkrankheiten. Solche Gläser trägt zum Beispiel Sänger Bono von der Band „U2“, erklärt der Firmenchef. Worüber sich Jens Matros sehr freut: Sein Sohn Erik steigt in den Familienbetrieb ein, macht nach seinem Abitur derzeit bei ihm eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker für Brillenoptik. Und er schreibt beruflich ein Stück Familiengeschichte fort. Denn der 21-Jährige besucht die Berufsschule in dem Ort, aus dem sein Urgroßvater Günther Joppich stammt: Rathenow in Brandenburg.
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