Hattingen.
So hell, so unschuldig leuchten die Sterne vor rund hundert Jahren, als unter ihnen im eiskalten Meer so viele Menschen erfrieren und ertrinken. Dieses Schiffsunglück ist auf der ganzen Welt bekannt: Die gigantische Titanic sinkt auf ihrer Jungfernfahrt im Nordatlantik, weil sie gegen einen Eisberg prallte.
Der Hattinger Autor Ulrich Land erzählt die Geschichte anders: Bei ihm überleben die fast 1500 Passagiere, die in Wirklichkeit starben. Die Titanic geht nämlich nicht unter. Doch Leichen gibt es auch in seinem neuen Roman. Und einen Ersten Offizier, der schwer zu kämpfen hat mit dem eigenen Gewissen.
Mit Blick auf den hundertsten Jahrestag im nächsten Frühjahr schrieb Ulrich Land den Krimi „Und die Titanic fährt doch“. Im Planetarium Bochum las er den Zuhörern am Dienstagabend daraus vor, während über ihnen der nachgestellte Sternenhimmel der Katastrophennacht leuchtet.
Gespannt hören sie seine Worte: „Dann der gigantische Knall. Ein kurzes Zittern erfasste den pechschwarzen eisweißen Klotz.“ Panische Angst die falsche Entscheidung zu treffen und gleichzeitig die Notwendigkeit schnell zu handeln: In der Haut des Offiziers möchte wohl keiner der Besucher stecken. Verzweifelt denkt dieser: „Ich hab’s in der Hand. Ich allein habe es in diesem Augenblick in der Hand. Das ganze Schiff. Mit Mann und Maus und Mokka. 1308 Passagiere, 898 Mann Besatzung.“
Eine Entscheidung trifft er dann auch: „Ich gab also den Befehl zum Ausweichen nicht!“ Dafür wird er später festgenommen, muss in der Ausnüchterungszelle an Bord bleiben. Und macht sich Gedanken über den bevorstehenden Gerichtsprozess.
Vor vielen Jahren las Ulrich Land zum ersten Mal einen Artikel darüber, dass die Titanic wohl nicht untergegangen wäre, wenn sie frontal auf den Eisberg zugehalten hätte, statt den Versuch zu unternehmen ihm auszuweichen. „Wäre sie frontal darauf gestoßen, wären die ersten beiden Rumpfkammern voll Wasser gelaufen, aber das Schiff hätte sich oben halten, hätte rückwärts weiterfahren können, mit dem Heck voraus.“
Beim Versuch dem Eisberg auszuweichen rissen stattdessen zu viele Rumpfkammern an der Längsseite des Schiffes auf. Lange recherchierte Ulrich Land und entwickelte daraus die Idee für seinen Roman. Bei der Lesung spielt die fantastische Balkan-Band „Herr Paschulke“ als Bordkapelle. Mit Saxofon, Gitarren und Schlagzeug gibt sie den Besuchern das Gefühl, auf dem Schiff unterwegs zu sein. Oben der von Sternen besprenkelte schwarze Himmel, davor bewegt sich auf der Leinwand der Eisberg im glasklaren Wasser. So klein, so winzig sieht die Spitze aus. Keine Frage, das täuscht.
„Sechzigtausend Tonnen Stahl krachten frontal auf dreihunderttausend Tonnen Eis. Eins zu fünf. Eigentlich war gar nicht der Knall das Erschütternde. Nicht das grausige Heulen und Knistern der wie Stanniolpapier nachgebenden Stahlplatten“, liest Ulrich Land eindringlich, „das Erschütternde war die Stille nach dem Knall.“
Die Sichel des Mondes wandert ganz langsam über die Köpfe der Zuhörer hinweg. Sie applaudieren fasziniert.