Witten.. Der ehemalige Chef der Wittener Sterbekasse veruntreute mindestens 192.000 Euro von Kleinsparern. Die Versicherungsaufsicht geht sogar von rund einer Million aus. Dafür hat der 57-Jährige nun zwei Jahre auf Bewährung erhalten. Die Betrogenen sind damit nicht einverstanden und drohen mit Zivilklagen.

192.000 Euro von 7500 Sparern steckte er sich in die eigene Tasche: Der Ex-Chef der Wittener Sterbekasse „Versicherungsverein aG“ ist vom Bochumer Amtsgericht zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Dem Verein muss er 34 400 Euro zurückzahlen. Ihm drohen noch deftige Zivilklagen.

2002 hatte der 57-Jährige die Geschicke bei der Sterbekasse übernommen, und damit üppige Bankvollmachten, die er ausnutzte. Zwischen 2008 und 2011 hatte er die rund 200 000 Euro veruntreut. Das räumte der Ex-Vereinschef vor Gericht ein. Zuvor hatte er teils abenteuerliche Begründungen für das Riesenloch in der Kasse geliefert. Er habe „die Übersicht verloren“, sei überlastet gewesen. „Das Geld ist versickert“, sagte er. Und: Eigentlich sei er ja Fußballtrainer, „und kein Buchhalter“. Tatsächlich trainierte er mehrere Jugendmannschaften, zuletzt war er aufgrund der Vorwürfe bei einem hessischen Verein entlassen worden.

Schwindel flog erst 2011 auf

Vom Geld der Versicherten soll sich der 57-Jährige auch das Haus seiner Frau in Bergheim finanziert haben. Kleinlaut gestand er zudem, sich als Ex-Chef „vielleicht etwas zu viel Gehalt ausbezahlt“ zu haben. Nach Angaben des Sonderbeauftragten der Versicherungsaufsicht, Wilfried Schimetat, soll es sich um 2000 Euro monatlich, insgesamt um 240 000 Euro handeln – die Mitglieder seien nicht gefragt worden. Jetzt lebe er von Arbeitslosengeld, so der Angeklagte.

Der Schwindel war aufgeflogen, als die Versicherungsaufsicht 2011 genauer hinschaute und einen angeblichen Barbestand von 150 000 sehen wollte, den es aber nie gab. Trotz etlicher Prüfungen war den Kontrolleuren zuvor nie ein Loch in der Kasse aufgefallen, der Vorstand soll Berichte ihres Ex-Chefs abgenickt haben. Wilfried Schimetat geht sogar von etwa einer Million aus, die der 57-Jährige veruntreut haben soll, darunter unter anderem das angebliche 240 000-Euro-Gehalt über knapp zehn Jahre sowie üppige Hypothekenzahlungen. Die Million war aus Sicht der Staatsanwaltschaft allerdings nicht zu beweisen, weshalb nur die 192 000 Euro angeklagt wurden.

Zivilklage in die Wege geleitet

Versicherte zeigten sich vom Urteil enttäuscht. „Eine Bewährungsstrafe ist fürchterlich“, ärgert sich Viktor Kalbe (71), seit 20 Jahren Mitglied. Die 34 400 Euro, die der Vereinsbetrüger der Sterbekasse zahlen muss, bezeichnete er als „lächerlich“. Das Geld stammt unter anderem aus einem Bausparvertrag des 57-Jährigen (9000 Euro) und einer Lebensversicherung (11 000), die er an den Verein abtreten muss. Ermittler Schimetat hat bereits eine Zivilklage gegen ihn in die Wege geleitet, um das seiner Ansicht nach weitere veruntreute Geld wieder zu bekommen. Bei der Forderung soll es um mehrere Hunderttausend Euro gehen.

Informationen

Der Verein soll trotz des Betrugs zahlungsfähig sein. Es ist die Rede von drei Mio Euro, die angelegt sind: zwei Mio in Fonds, eine in Immobilien. Im März soll es einen Info-Abend für die Mitglieder geben. Die Wahl eines neuen Vorstandes soll folgen.

Die Geschäftsstelle (Ardeystraße 12) soll ab 1. Juli aus Kostengründen geschlossen werden. Geplant ist, dass ein Wittener Bestatter Ansprechpartner für Versicherte wird. Ihre Beiträge müssen sie aus Sicherheitsgründen nun per Überweisung zahlen.