Witten.. Die Zeit von Anfang November bis Ende März verbringen die Mitglieder des CIrcus Antoni im Winterquartier. Das beziehen sie seit acht Jahren auf einem ehemaligen Parkplatz im Bereich Crengeldanz. Doch auch jetzt wird nicht gefaulenzt, sondern hart gearbeitet. Ein Besuch bei Chefin Ramona Tränkler.


Eigentlich geht Zirkus anders: Ein buntes Zelt steht auf der grünen Wiese, umgeben von den Wohnwagen der Artisten. Doch jetzt ist Januar und keine Zeit für große Kunststücke in der Manege. Auch der Circus Antoni hat Pause und verbringt die Wochen bis zur nächsten Saison im Winterquartier. Das befindet sich seit 40 Jahren in Witten und seit acht Jahren auf einem ehemaligen Parkplatz am Ende der Wasserstraße im Bereich Crengeldanz.

Froh sind die Zirkusleute, dass sie hier vorübergehend eine Heimat haben. Die Firma Pilkington stelle ihnen die Fläche zur Verfügung, erzählt Chefin Ramona Tränkler. Und freut sich, dass mittlerweile auch die Anwohner nichts mehr gegen die zeitweilige Nachbarschaft haben. Im Gegenteil: „Wenn’s richtig kalt ist und wir das Rohr für unsere Wasserversorgung auftauen müssen, kommen die schon mit heißem Wasser an“, sagt die 50-Jährige. „Die haben gemerkt, dass wir niemandem was tun“, ergänzt Mutter Barbara, die gerade das Mittagessen für zehn bis 15 Leute vorbereitet: selbst gemachte Spätzle und Sauerkraut. Es duftet schon verheißungsvoll.

Keine Zeit zum Faulenzen

Ordentlich Hunger werden bestimmt alle haben. Denn in der Winterpause ist nicht etwa Faulenzen angesagt, sondern harte Arbeit. „Das ist kein Zuckerschlecken“, hat auch Tobias Schmidt längst gemerkt. Der 18-Jährige lebt in einem Essener Kinderheim und macht derzeit ein Praktikum beim Circus Antoni – weil er Tiere so liebt. Doch jetzt hilft er gerade Josef Tränkler (53) dabei, einen Transporter auszubessern. Dessen Boden soll eine neue Holzverschalung kriegen. Die Säge kreischt. Und Tobias balanciert in der Schubkarre das notwendige Material übern Platz. Wenn gerade was da ist: „Das fällt ja nicht vom Himmel. Wir müssen gut kalkulieren“, sagt Ramona Tränkler.

Sonst ist es ruhig hier und ziemlich trostlos. Einige Mitglieder der sechs Familien sind in Hamm, um – geschützt in einer Halle – einem Zirkuswagen einen neuen Anstrich zu verpassen. Andere organisieren irgendwo Futter. Kein Mensch sonst in Sicht. Am Wäscheständer baumeln zwei Pullis einsam in der feuchtkalten Luft. Ein Ball liegt in der Ecke. Die Freigehege für die 50 Pferde, Ponys, Ziegen und Lamas sind leer. Die Tiere bleiben heute lieber im warmen Zelt. Schön mollig ist es auch im Wohnwagen, in dem gerade zwei Köpfe rauchen.

Klassenzimmer im Wohnwagen

Soni (9) und Justin (15) sitzen in der „Schule für Circuskinder der ev. Kirche im Rheinland“ – so steht’s außen dran. Der eine paukt Mathe, der andere verschickt gerade seine Hausaufgaben mit dem PC ins Online-Klassenzimmer, das extra für jene da ist, die bald ihren Abschluss machen. Eigentlich sind sie zu dritt, doch Celina (10) ist gerade auf Klassenfahrt in Aurich – auch das biete die Circusschule, erzählt Lehrerin Inge Hachen-Jehring (43).

Bis mittags um zwei müssen die Kinder noch durchhalten, dann freut sich Soni, der Bayern-Fan, nach fünf Stunden Unterricht schon aufs Fußballtraining beim TuS Stockum. Denn das ist mal was anderes, als den Clown zu spielen oder bei Tiernummern zu helfen.

Natürlich wird jetzt im Winter auch für die neue Saison geprobt. Obwohl Ramona Tränkler immer mehr Sorgen plagen: Nicht nur steigen die Kosten, auch werde es immer schwieriger, Standplätze zu finden. Aber, lässt sie den Kopf nicht hängen, „es muss ja weitergehen“.