Witten.. Am Tag nach dem Orkan ist in Witten Aufräumen angesagt: In Heven und Stockum kann man manche Szenen kaum glauben: Da knickten riesige Linden um und drückten Autos platt, teilweise war die Hörder Straße komplett gesperrt.
Die Hitze schwirrt schon wieder auf Wittens Straßen und links und rechts auf den Bürgersteigen wird aufgeräumt: Abgeknickte Äste einsammeln, sich beim Nachbarn eine Kettensäge ausleihen, Flatterband spannen und Laub fegen, das gehört am Tag nach dem heftigen Orkan zum allgemeinen Stadtbild. Auch Siegrun Köhler fegt vor dem Haus an der Pferdebachstraße 203, vorbei an der Pappel, die auf einen roten Kleinwagen krachte: „Und ich dachte, das war ein Donner.“
Die Köhlers wohnen auf einem freien Stück an der Pferdebachstraße zwischen Innenstadt und Stockum, dort wo der Wind über die Felder, gegen die alten Pappeln leichtes Spiel hatte. Er fegt durch den großen Gemeinschaftsgarten des Mehrfamilienhauses und riss alles weg: einen Pavillon, das Federballnetz, Stühle und Tische. „Wir hatten ja die Rolladen runter, wir wollten eigentlich fernsehen“ , sagt Dann guckte die 74-Jährige aber doch raus – und sah, dass die zweite Pappel in der Baumreihe umknickte, erst auf das schwere Eisentor und dann auf den roten Opel Agila der Nachbarn knallte. „Der gehört so jungen Leuten, und die heiraten doch am Wochenende!“ Den Opel befreite die Feuerwehr noch in der Nacht, die Besitzer wickelten den oberen Wagenteil in Klarsichtfolie ein – wasserfest.
Auch Claudia Robert kann auf ein Autowrack blicken. Erst vor kurzem kaufte sie sich den weißen Ford Fiesta, Baujahr September 2013. Robert wohnt in den Genossenschaftsbauten an der Almstraße in Heven, dort, wo der Orkan scheinbar am ärgsten wütete. Die Wiese zwischen zwei Wohnblöcken gleicht einem Schlachtfeld: In einer Kettenreaktion kippten drei große alte Linden um, eine nach der anderen. Die erste landete in einem Dachgiebel, die zweite samt riesigem Wurzelballen auf der Wiese, die letzte auf dem Fiesta. „Und ich habe vom Küchenfenster aus zugesehen“, sagt die 47-Jährige. „Ich hab nur gedacht: Hoffentlich kippt der Baum jetzt nicht auch noch und kurz danach habe ich nichtmal mehr das Auto gesehen.“
Mehrere Arbeiter des Baumdienstes von Karl-Heinz Clemens sind gerade mit ihren Motorsägen zugange und sie werden wohl noch lange brauchen, bis diese einstigen Wiesenfläche wieder begehbar ist.
„Das war hier eine richtige Windschneise“, sagt Clemens. „Angefüllter Boden, die drei Solitärbäume auf der Bergkuppe dazu die anderthalbstündigen Starkwinde.“ Mit einem gewicht von 25 Tonnen würde solch’ ein Baum dann kippen, schätzt Clemens. Und erinnert daran: Andere Stürme waren heftiger: Kyrill in 2007, oder die Winterstürme 1990 und 2000. Nun steht er vor dem Problem, wie man einen der Bäume, der nun gegen einem Dachstuhl lehnt, sicher zerlegt: „Erstmal alle schweren Äste weg.“
Edith Sommer, 77, eilt mit schnellen Schritten den blätterbesäten Bürgersteig entlang und bleibt vor der Adolf-Reichwein-Realschule auf dem Sonnenschein verdutzt stehen: Da liegt ein dicker Ast quer über dem Dach. „Wie gut, dass schulfrei ist“, sagt sie und schüttelt den Kopf. „Und ich habe gestern Abend nur nach unseren Blumenkästen geguckt, wir wohnen in einer Etage hoch oben. Aber was hier passiert ist, kann man gar nicht glauben.“